Demo

Noch dürfen wir den Granatapfel ernten    

Liebe Schwestern und Brüder in der Heimat,

granatapfelja, wir dürfen gerade Granatäpfel essen, den roten vitaminreichen Saft trinken und uns an der rot-orangen Farbe, die auf den Sträuchern leuchtet, freuen. Und das in der Woche, die uns wohl alle den blossen Schrecken in die Glieder gejagt hat. Ich habe mich in dieser Woche einige Male gefragt, ob ich mich daran noch freuen darf. Ich habe mich auch gefragt, wie ich einen Rundbrief an Euch schreiben kann angesichts dessen, was mich und wohl auch Euch seit dem 7. Oktober in Gefühl und Gedanken besetzt, belastet und vielleicht auch Angst einjagen möchte. Und ich habe mich entschieden, zu schreiben - weil wir den Granatapfel gerade ernten dürfen. In Israel habe ich vor 38 Jahren überhaupt zum ersten Mal einen Granatapfel gesehen. Ein Symbol der Liebe ist er.

Ich habe mich entschieden, Euch jetzt zu schreiben, weil wir allen Grund haben, in all dem Weltchaos, dankbar zu sein. Viele von Euch haben uns in den letzten Wochen und Monaten sehr unterstützt. Wir bekamen Besuch, wir bekamen Hilfsgüter von kleinen und grossen Transporten, wir bekamen das OK zur Unterstützung für die erste basale häusliche Pflege. Wir erlebten, wie so viele von Euch viel Zeit, Kraft und Material gegeben haben, damit wir hier weitermachen können. DANKE.

Die grossen Kriegskrisen – jetzt wohl eine mehr – haben die humanitäre Lage auch hier verschärft. Viele, viele Touristen kamen im Sommer, derweil entleert sich das Land; wer irgendwie kann, haut noch ab, bevor…ja bevor…das Gespenst das da lauert und antreibt, das können wir nicht identifizieren. Es ist in jedem Fall so, dass die angespannte Lage im Kosovo dem albanischen Volk hier nicht unbedingt Sicherheit vermittelt. Und hier fehlen überall Ärzte, Krankenschwestern, Lehrer, Handwerker. Immer wieder ist eine Familie weniger. Und die Menschen, die hier bleiben, suchen uns vermehrt auf: sie wissen nicht mehr weiter, sie sind krank, sie können Schulbücher nicht bezahlen, sie brauchen Medikamente, die Langzeitkranken verfaulen in den Betten. Es ist markant, wie die Weltsituation sich hier kumuliert als kollektive Hoffnungslosigkeit. Ja, sie hauen noch ab ins Ausland – meist illegal, aber es macht sich auch bemerkbar, dass die Sicherheit „draussen“ auch bröckelig geworden ist. Der neue Konflikt im Kosovo trägt zur Verunsicherung bei; die Angst vor einer erneuten Eskalation wie 1999 wächst beständig. Wir sind so oft einzige Anlaufstelle, vielleicht sogar ein Anker. Und längst sind wir gewöhnt, dass unser geplanter Alltag umgeschmissen wird und schnell „andere Prioritäten“ gesetzt werden müssen. Dass uns gegen 9 Uhr der Strom bis zum späteren Nachmittag abgeschaltet wird, das sind wir die letzten Wochen fast gewöhnt gewesen. Wir sind froh, dass es noch nicht kalt war. Aber es „brennt“ derzeit an vielen Ecken und Enden.

Da ist Xhamili. Er ist uralt – wie alt genau, das wissen wir gar nicht; er selbst auch nicht. Er lebt im Livade als Eigenbrödler mit Hund und Katz, ein paar Hennen, Schlangen und Ratten. Sein Sohn wurde vor Jahren wegen Blutrache sehr jung erschossen. Er sammelt Müll und haust in einer elenden Unterkunft. Selbst beim Hochwasser ist Xhamili nicht raus, sondern hat tagelang auf seinem Dach kampiert. Einzig zu uns hat er Vertrauen und wir haben immer wieder nach ihm geschaut, ihm „was vorbeigebracht“, eine Wunde verbunden, ein wenig geratscht…Seine wachen klaren Augen haben mich immer beeindruckt. Vor kurzem sah ich im Livade, unserem Wohngebiet, schwarzen dicken Rauch aufsteigen, gleichzeitig hörten wir die Feuerwehr. Ich wollte Schwester Michaela rufen, aber die stand schon in der Türe und sagte: „Irena hat angerufen, es brennt beim Xhamili!“ Mir war klar, dass ich da raus muss. Daniela, die zwei Wochen mit uns war, ging mit mir und wir fuhren raus. Die Nachbarn standen bereits aufgeregt herum und hatten Sorg, dass weiter Granaten und explosive Sachen hochgehen könnten. Es muss ziemlich gekracht haben. Jemand sagte, Xhamili habe noch einige Panzerfäuste vom Bürgerkrieg 1997 gelagert. Wir gingen von einer anderen Seite auf das Grundstück zu. Die Feuerwehr liess uns nahekommen und ich erklärte kurz, wer ich bin. Ein Feuerwehrmann kam und zeigte zum schon abgebrannten Haus. Da sass Xhamili und ging nicht weg. Ich näherte mich und rief ihn. Er reagierte gar nicht. Ich ging näher zu ihm und rief wieder. Er hob den Kopf, aber sein Blick war in die Weite gerichtet und er guckte durch mich durch und wirkte total verstört. So näherte ich mich voll und sagte: „Xhamili, ich bin’s Christina“.   Da hob er den Kopf aufmerksam und bewegte sich. Ich sprach ruhig mit ihm und bat ihn, mit mir zu kommen und weg vom Brand zu gehen. Er liess sich wegführen, aber er war verstört und konnte nicht sprechen. Er war einverstanden, erstmal mit uns ins Kloster zu kommen. Hier fühlte er sich ziemlich schnell wohl. Die erste Hürde, die wir mit Xhamili aber überwinden mussten, war die Dusche. Er war so voller Dreck und eine Brühe vom Feuerlöschen lief an seinen Beinen runter, dass eine Dusche unumgänglich war. Er hatte genug Vertrauen und nach kurzer Zeit fand er das warme Wasser mit dem Shampoon einfach nur schön. Er meinte, er habe noch nie im Leben geduscht. Dann bekam er Appetit und wurde müde. Schwester Michaela hatte das Bett im Gästezimmer gerichtet und Xhamili fühlte sich wie ein König. Er schlief ein paar Stunden. Als ihn ein Verwandter abholte, war er tief gerührt. Er küsste den Abri und Antonio zum Abschied und sagte zu uns: „Ich wurde als Mensch behandelt und war im Himmel. Jetzt kann ich sterben!“ Niemand hatte ihn bislang von seiner wirklich menschenunwürdigen Behausung weggebracht. Selbst im schlimmen Hochwasser ging Xhamili nicht. Er lebte damals tagelang auf seinem Dach. Nun konnte er loslassen. Er lebt bei einem Cousin auf dem Land.

Seit kurzem betreuen wir eine Familie ein paar Häuser weiter. Vater und Opa waren mit dem Kleinlaster auf dem Rückweg aus dem verlassenen Anwesen im Dukagjin und wurden von Verbrechern gestoppt. Sie wurden regelrecht zusammengeschossen. Der Opa starb in den Armen des schwer verletzten Sohnes. Dieser wurde ins Krankenhaus gebracht. Sein Auge wurde einfach rausgeschossen, zwei Kugeln sind noch im Unterschenkel und eine steckt im Halsbereich. Die Familie braucht uns. Der Erstbesuch war hart und schwierig.

Die jüngste Tochter war letztes Jahr bei mir im Firmunterricht. Sie ist 15 Jahre alt, die Älteste ist 24 und dazwischen ist ein Sohn mit 21. Es war ein merkwürdiges Gefühl für mich, als ich ins Haus trat. Der Opa war gerade beerdigt, die Atmosphäre war gespenstisch, die Gesichter verschlossen und nur misstrauisches Schweigen war im Raum. Ich verlor irgendwie kurz die Sicherheit und überlegte, ob ich nicht einfach mit einem „Entschuldigung“ wieder gehen sollte. Aber ich spürte gleichzeitig, dass hinter der Schweigemauer ein grosses Bedürfnis nach Nähe und Sprechen war. So blieb ich und setzte mich einfach mal zu einer alten Frau aufs Sofa. Ich sagte, sie brauchen nicht reden, ich möchte einfach kurz mit ihnen sein, ihnen sagen, dass wir für alle Betroffenen beten und dann werde ich wieder gehen. Wie durch ein Wunder war das Eis plötzlich gebrochen. Die ältere Tochter fing an zu weinen. Und dann erzählten sie. Die Angst hatte nun einen Ausdruck gefunden, konnte ins Wort gefasst werden. Die grosse Angst um den Bruder steht immer noch im Vordergrund. Die Schwester hat Angst, dass er rächen wird oder dass die noch nicht gefassten Täter ihn auch töten. Das Motiv wissen die Angehörigen nicht. Die Sorge um den Vater ist enorm. Sie sind jetzt schon verschuldet, die Operation des Auges war teuer. Sie baten mich, nach Tirana zu fahren und den Vater zu besuchen, ihn zu ermutigen, mit ihm zu reden. Sie meinten, er wäre völlig traumatisiert und mitgenommen und habe Angst. Ich versprach, gleich am nächsten Tag hinzufahren. Und so fuhr ich nach Tirana.

Nach längerem Suchen fand ich die Station. Aber ich brauchte einige Zeit, um ins Zimmer zu kommen. Der Gang in der Klinik war nämlich sozusagen mit „Krankenbetten im Gerangel um die Vorfahrt des jeweiligen Pflegers“ völlig blockiert. Dieselbe Methode wie hier im Strassenverkehr: der Stärkere hat Vorfahrt! In der Mitte des Korridors waren zwei Betten positioniert. Der Patient in einem Bett sollte dort vor allen Besuchern in das andere Bett umgelagert werden. Es wurde an ihm gezerrt, dann wurden ein paar andere Pflegekräfte gerufen zum Helfen. Inzwischen gab es „Gegenverkehr“ aus dem Gipsraum von der Seite. Eine alte Frau hatte gerade ihr gebrochenes Bein gegipst bekommen und wurde rausgeschoben und mit den anderen beiden Betten verkeilt. Dann kam noch ein Pfleger von der Stirnseite des Korridors aus dem Operationssaal mit einem Frischoperierten. Der war noch bewusstlos, aber das wohl eben operierte Bein hing noch zu einem Drittel aus dem Bett. Das Laken war voll Blut. Ich musste mich sehr zurücknehmen, um nicht einzugreifen. Ich drehte mich aber um, weil ich das nicht mitansehen konnte. Es gab Debatten um die Vorfahrt. Ich entschied, mich einfach durchzuwühlen, was mir auch gelang. Ich drückte mich an der Wand vorbei und hoffte einfach, dass mich niemand zerquetschte. Dann kam ich zum Verletzten. Er wirkte sehr traumatisiert, fing aber sofort zu weinen an. Der Augenverband war nicht mehr unbedingt das, was man unter sauberem Verband versteht. Er lupfte die unbezogene, verdreckte Bettdecke und zeigte mir das Bein mit den zwei Kugeln drin. Der Verband war durchgeblutet und verrupft und es schien mir, als wäre da einfach nur eine Knochenmatsche. Von der Kugel im Halsbereich zeugte ein riesengrosses Hämatom. Keiner wusste genau, warum diese Kugeln nicht entfernt wurden. Nun ist vor zwei Tagen eine Kugel im Bein entfernt worden, die zwei anderen sind noch im Körper. Der Patient ist schlecht beisammen. Wir versuchen, da zu sein für die Familie, uns zu kümmern und auch eine Tat der Rache zu verhindern. Und wieder einmal mehr sind wir bei der Blutrache gelandet. Und ich denke an unseren Granatapfelbaum im Kinderzentrum, der für Leben und das Zeichen der Liebe steht und zu einem grossen Strauch mit vielen Früchten geworden ist. Er ist aus einem grossen Stein als ganz kleines Pflänzchen gewachsen, hat den Stein gesprengt und ist nun fast das hoffnungsvolle Wahrzeichen im Kinderzentrum.

Und nun muss ich noch von unserem Projekt der häuslichen Pflege erzählen. Wir haben uns lange darauf vorbereitet. Die Anfragen nach Hilfe und häuslicher Pflege sind sehr häufig und massiv. Da wir alleine nicht mehr alles schaffen, haben wir uns schon lange entschlossen, das Projekt „häusliche Pflege“ zu wagen. Vier Gemeinden und unsere haben sich angeschlossen, eine kleine erste Sozialstation aufzubauen. Nun haben wir diese Woche mit der Ausbildung für Krankenpflegehilfe begonnen, nachdem wir die Anerkennung für diese Ausbildung von einer staatlichen Behörde auch bekommen haben. So konnten wir mit 14 zukünftigen PflegehelferInnen starten. Die ganze Woche waren sie im Unterricht. Es macht mir echt Freude, diese Erwachsenen so neugierig, motiviert und wissensdurstig zu erleben. Interaktives Lernen sind sie überhaupt nicht gewöhnt, aber es hat ihnen sehr viel Spass gemacht. Und so hoffen wir, dass sie dann bald zu den Pflegebedürftigen in die Familien losgeschickt werden können. Dieses Projekt ist mir ein Herzensanliegen. Und in all dem, was in der Welt geschieht, darf etwas gedeihen, etwas entstehen und der Hoffnung neue Nahrung gegeben werden. Der Granatapfel ist reif zur Ernte.

Wir wünschen Euch den Frieden, den Segen unseres Gottes und danken für alle Hilfe, alles Gebet und alles Wohlwollen.

Mit herzlichem Gruss

Sr. Christina und Sr. Michaela

granat2

Rundbrief Juli 2023


„WAS ICH IN DIESER NACHT ERLEBT HABE WERDE ICH NIE VERGESSEN
ICH WAR IN EINER HÜTTE EINGESPERRT.
ICH WAR MEHR INNERLICH EINGESPERRT.
ICH WUSSTE NICHT WIE ICH REAGIEREN SOLLTE, ICH DACHTE: NUR EINFACH GEDULD HABEN UND WARTEN.
DAS, WAS MIR GEHOLFEN HAT WAR, DASS ICH AN MICH GEGLAUBT HABE.“
ABRAHAM


Liebe Schwestern und Brüder.
Heisse Nächte, heisse Tage! ,rüss Gott aus unserem Klösterle. Ich hoffe, es geht Euch gut und Ihr erlebt den Sommer – trotz Unwegsamkeiten – als geschenkte und auch erfüllte Jahreszeit. Der Abraham hat seine Erfahrung vor einigen Wochen in einem Vorwort für Euch zusammengefasst und möchte dies mit Euch teilen. Wir auch, da wir denken und erleben, wie die Menschen auch an schweren Erfahrungen wachsen und wir erleben gerade in diesen heissen Tagen, was sie hier aushalten.

Zurück zu Abri: er hatte eine wirklich traumatische Erfahrung in einem Sommercamp, wo er zum ersten Mal als Animator war. Er war im Prinzip „aus Versehen“ oder um ihn im Rollstuhl nachts zu schützen, in einem kleinen Nebenhaus in den Bergen eingesperrt. Abraham definiert es als „Hütte“. Er brach das Camp ab und arbeitet seitdem daran und - wenn ich nun das lese, was er schreibt – dann arbeitet er das gut auf.
 
Innerlich eingesperrt: Das ist für mich ein wichtiger Punkt!

Wo sind wir „innerlich eingesperrt“? Im Denken? Im tradierten Verhalten und Fühlen? Im Gewohnten? Auch im Klagen und Jammern – über die Hitze und übers Wetter, über Krieg und Waffen, über Armut und Reichtum??

Wir werden derzeit oft von Freunden aus der Heimat gefragt, ob wir die Hitze noch aushalten. Was können wir dazu sagen? Ich stelle mir die Gegenfrage: „Was ist, wenn ich sie nicht mehr aushalte?“ Aushalten – wie die Nacht in der Hütte! Ja, wir sind auch hin und wieder am Stöhnen, wenn wir bei 40 Grad rausgehen. Aber wir haben uns bewusst untersagt zu jammern, zu klagen und den Sommer und die Hitze als unseren Feind zu betrachten. Sonst wären wir voll lahmgelegt.

Klar blicken wir mit Sorge oft auf die Hügel um uns herum. In der Nacht drehe ich die Runden im Kloster, steige hoch auf den Dachboden und gucke, ob Feuer lodern. Dann segne ich wieder und wieder die Natur und das Wetter. Ich benutze dabei die Formel des alten Wettersegens, den ich als Kind in der Kirche hörte. Im Süden brennt es bereits. Unter anderem frisst sich ein Grossfeuer bereits den dritten Tag durch die Grossmüllhalde einer Stadt am Meer im Süden. Die Giftwolke des brennenden Plastikmülls liegt über den Touristen am Strand.

Vor kurzem wurde eine Patientin gebracht. Sie war hier im Norden am Strand, als sie Probleme mit einem Bein bekam. Sie wurde dort auf Gürtelrose behandelt. Das war aber keine Gürtelrose. Nach 10 Tagen kam sie dann hierher. Das Bein war in katastrophalem Zustand, ihr Allgemeinzustand so schlecht, dass man bei uns wohl auf der Intensiv liegen würde. Da sie schon behandelt wurde, hat sie hier kein anderer Arzt mehr übernommen. Wir hatten zwei Möglichkeiten: sie wegschicken, weil es nicht in den Kompetenzbereich von mir gehört, sondern zu einem Arzt oder sie zumindest mal anzuschauen. Also, brachten wir sie in die „Busch-Ambulanz“.

Der Unterschenkel war eine Katastrophe: knallrot glänzend, dick, hart, grosse eitrige Fläche, kurz vor der Blutvergiftung. Mir war nicht nur heiss von der Hitze. Ich rief Sr. Michaela und wir hatten sofort einen Verdacht: Spinnenbiss. Diese kommen hier immer wieder vor – auch mich hatte es schon erwischt. Wir fanden mit einem Vergrösserungsglas dann zwei kleine Einbisse.

Und wir behandelten auf Giftspinnenbiss. Gott sei Dank haben wir ein wenig Erfahrung damit. Das war in der Früh. Da ich wirklich Sorge um sie hatte, liess ich sie am Abend wiederkommen. Es ging ihr bereits sichtlich besser. Wir hatten inzwischen auch einen Arzt konsultiert. Nun konnte sie wieder zurück nach England. Dort ging sie sofort ins Krankenhaus und die sagten, dass wir hier die bessere Behandlung gemacht hätten. Tja.  Zwei Tage danach kam überall in den albanischen Medien, dass die „Schwarze Witwe“ – eine Giftspinne - unterwegs wäre. Dazu zeigten sie dieselbe Wunde, wie sie die Frau hatte. Ich habe mich dann ertappt, darüber nachzudenken, was gewesen wäre, wenn diese Patientin noch einen Tag länger gewartet hätte. Das habe ich mir dann verboten.


Ich gebe zu, ich habe auch immer noch das Bild eines schwer verletzten Motorradfahrers vor mir: Wir waren mit Sr. Benedicta, die auf Besuch da war, unterwegs in die Lavendelfelder. Als wir heimfuhren, war gerade der Unfall passiert. Lukas hielt sofort an und ich rannte zum Verletzten und bat Lukas noch, den Notfallkasten nachzubringen. Es war viel Verkehr. Der Verletzte lag am Strassenrand auf der anderen Seite und war dabei, das Bewusstsein zu verlieren. Seitenlagerung! Bei mir spulte sich wieder mal alles ab, wie schon des öfteren. Aus der Kopfwunde quoll das Blut sehr stark. Lukas konnte die Strasse noch nicht überqueren und so blockte ich schlichtweg mit meinem lila Schleier den Blutfluss. Was anderes hatte ich nicht. Dann hörte der junge Mann plötzlich auf zu atmen. Der Gürtel der Umhängetasche hatte die Atemwege zugeschnürt. Mein kleines Taschenmesserle mit Scherle tat wieder mal seinen Dienst: Klipp! und der Gürtel war durch und der Patient kam wieder zu sich. Er hatte starke Schmerzen – ich sah, wie sein Bein so anschwoll, dass die Hose spannte. Auch die schnitt ich auf. Dann war Lukas da und wir konnten ihn ordentlicher versorgen. Etwas später kam die Ambulanz mit den Sanitätern. Ich übergab den Patienten mit einem kurzen Rapport. Die Notärztin hörte nicht richtig zu. In Blitzeschnelle wurde die Tragbahre neben den Patienten gelegt. Kein Checkup, keine sichere Lagerung – nichts. Die packten ihn einfach an Händen und dem sicher gebrochenen Bein und zerrten ihn auf die Bahre. Er brüllte, mein Versuch, einzugreifen, ging fehl. Die Tür der Ambulanz krachte zu – so schnell wie sie ausgestiegen waren, waren sie auch wieder weg. Immer noch taucht in mir das Bild von diesem für mich brutalen und auch gefährlichen Abtransport auf. Es ist mir wieder einmal klar geworden, dass die Helfer mich gar nicht wirklich verstanden haben, mit meinem – für sie empfindlichen Gehabe - in Bezug auf den Verletzten. Es ist schon enorm, dass er überhaupt abtransportiert wurde und die anderen Leute auf der Strasse ihn nicht einfach in ein Personenauto hievten, um ihn selbst ins Krankenhaus zu bringen. Zimperlich ist man hier in keinem Fall. Und die Menschen halten unglaublich viel aus. Unglaublich viel. Vor allem die Schwerkranken liegen ohne Klimatisierung in den Betten und die Dekubitus-Wunden pappen an den Leintüchern an. Ein Ventilator ist zu teuer. Sie halten aus.

Wir wurden zu Nada, einem jungen Mädchen gerufen. Sie ist jung – war gerade zwanzig. Nach einem schweren Autounfall wurde sie mit gebrochenen Knochen aus dem Krankenhaus entlassen. Unterschenkel und Oberarm waren etliche Male gebrochen, das Becken „Matsche“. Die Familie kam zu uns und bat um eine Krankenbett. Das konnten wir bringen und der Erstbesuch war niederschmetternd. Das junge Mädchen lag mit einem miserablen Oberarmgips schräg im Bett, die Wunde am Unterschenkel mit einem externen Fixator war verdreckt und vereitert, die Fäden waren noch in der Wunde. Mit solchen Fäden näht man bei uns nicht mal mehr ein Rind!! Um Nada stand die Familie und eine ältere Krankenschwester – alle sprachlos und hilflos und Nada in ihrem Schicksal beweinend. Die Familie ist inzwischen auch verschuldet – die Behandlung hat alles Gesparte verschlungen. Ich dachte spontan: „Wie gerade beerdigt, hier kann man nicht genesen.“  Abraham würde sagen: „Innerlich eingesperrt“. Also: ich machte erstmal das Fenster auf. Und ich sagte ihr: „Schnauf erst mal durch, Du hast das alles überlebt!“ Sie guckte mich an, als erwache sie aus einem Albtraum. Dann sagte die Krankenschwester laut: „Nada wird keine Narbe behalten an ihrem Bein. Das sagst Du doch auch, oder?“. Ich gucke die Wunde an und schaute entgeistert auf alle. Ich atmete tief durch – setzte mich dann zu Nada ans Bett und sagte zu ihr: „Nada, eines tue ich nicht: ich lüge dich nicht an“. Guck mal zu deinem Bein. Alle winkten ab und sagten: „Nein, Nada kann ihr Bein nicht anschauen“. Ich atmete wieder durch, versuchte die Situation zu erfassen. Nada schaute prüfend zu mir. Sr. Michaela nickte mir zu.

Ich sagte zu Nada: „Nada, willst du, dass ich ehrlich bin?“ Sie sagte:“ JA!“

So erklärte ich ihr, dass so ein offener Bruch und so eine Wunde nirgends und bei niemanden ohne Narbe verheilen wird. Ich sagte ihr, dass dies Narbe – egal wie sie dann ist - für immer zu ihr gehören wird und dass diese Narbe sie daran erinnert, was sie durchgestanden hat und dass sie das durchgestanden hat. Nada guckte mich an, nickte und sagte mir dann: „Das ist gut und es macht mir auch gar nix aus, wenn ich eine Narbe habe“. Das Vertrauen war irgendwie hergestellt. Irgendwann schaute sie dann ihre Wunde an. Und langsam, ganz langsam gewinnt sie das Leben und die Hoffnung zurück. Inzwischen hat Nada Kontakt mit Freunden von uns und das tut ihr sehr gut. Sie wird viel Zeit brauchen, aber sie weiss, dass sie nicht alleine ist. Das „Nicht alleine sein“. Es ist uns in diesen Monaten sehr klar geworden, dass die Menschen oft allein gelassen sind und dass so oft ein einziges Gespräch, ein Wort, ein Besuch schon wie kleine Wunder wirken. Die „innere Sperre“ wird aufgetan, die Seele sieht wieder weiter als die Hütte. Und wir wünschen Euch für den Sommer auch die Weitsicht der Seele und Geduld und Warten können auf geöffnete Türen. Und wir danken Euch, dass Ihr durch Eure Solidarität, all Eure Hilfe, immer wieder Wege eröffnet für die Armen und Elenden hier. Und – wer in Urlaub gehen darf, dem wünschen wir erholsame Ferien. Wir gehen auch Mitte August in die Ferien.

Mit den besten Segenswünschen und Grüssen

Sr. Christina und Sr. Michaela

 

abri

Abri malt zur Verarbeitung seiner Hüttennacht

Wie riecht denn „Frieden“?

Liebe Schwestern und Brüder in der Gemeinschaft des Heiligen Geistes,

grüss Gott aus unserem Klösterle in Dobrac. Nach ein paar dampfenden heissen Tagen rieselt vor meinem geöffneten Fenster guter Regen. Die Luft wird frischer und die Erde saugt das Nass auf. Es ist ruhig und friedlich; eine Wildtaube hat sich für ihren Lockruf entschieden. Die Rosenblüte, unser dunkelgrüner Kakibaum sind Meditation und ein Danklied an den Schöpfergeist. Die Frösche vom Kanal keine 100 Meter weiter quaken ihr Konzert, als hätten sie auf den Regen als Dirigent gewartet. Ich spüre, wie ich fast den Atem anhalte und einfach staune und danke - für den Geruch von „Friedlich“.

Neben mir - wie ein Schatten, der das Licht ersticken möchte - ist da der bislang schwelende und nun seit zwei Tagen eskalierte Konflikt im Kosovo. Wieder brennen Autos, wieder gibt es Blockaden, wieder prasseln Hasstiraden auf Menschen herunter. Und die Angst vor einem Krieg liegt auf den Lippen, wird ausgesprochen. Die Mitarbeiter heute Früh sprachen vom Krieg von 1999 und wie sie alle aus den Wäldern kamen - die Flüchtlinge damals. Ich erinnerte mich auch. Und ich spüre, wie ich mich innerlich weigere, weiter zu denken, einen weiteren Krieg vorzudenken, vor zu riechen und schon zu schmecken. Pfingstwoche, denke ich. Und ich rufe den Geist des Friedens beim Tischgebet auf uns alle und auf die Menschen herab. Es ist wie eine Gegenansage an Krieg und Hass. Wir müssen den Frieden riechen, nicht den Krieg. Der Regen rieselt friedlich und vom Süd-Westen kommen ein paar Sonnenstrahlen. Ich ertappe mich, dass ich einen Regenbogen erwarte, der nun meine Friedenssehnsucht bestätigen soll. Die Frösche quaken belustigt über mich. Und ich denke kurz:
„Verfalle ich einer totalen Illusion? Verdränge ich die Realität, angesichts der angespannten Lage. Zimmere ich mir meinen rosarot-himmelblauen Himmel in meinem Klostergarten oder meine religiöse Kuschelecke in meiner Kapelle?“

Ich weiss es nicht, angesichts der kriegerischen Entwicklung dort drüben. Irgendwo kracht es jetzt und ich erinnere mich, wie ich 1999 hörte, wie die Bomben in Kukes fielen. Und doch: ich bin überzeugt, dass der Friede möglich ist, wenn wir das wirklich wollen, wenn es alle wollen. Ob es alle wollen, das ist dabei die Frage. Aber es wäre möglich. Wir müssen die Möglichkeit offenlassen. So denke ich.

Und ich erzähle Euch nun die Geschichte von dem kleinen Jungen, der hier gelandet ist mit seinen Eltern. Ermiri ist vier Jahre alt. Der Vater hält ihn in seinen Armen und der Kleine ist wie ein Äffchen an ihn geklammert. Sofort legt der Vater den Kleinen in meinen Arm und sagt: „Guck ihn dir an, aber er ist ja schon fast tot. Jeden Tag wird er schlechter!“ Ich bitte den Vater, den Kleinen weiter zu halten und mit mir zu kommen.

Dann reicht mir die Mutter ein Entlassungspapier aus dem Krankenhaus. Sie zeigt auf zwei Wörter und guckt angespannt auf mein Gesicht. Da steht: „Degeneration des Gehirns“. Die Mutter sagt: „Wenn man ihm was in die Hand gibt, dann macht er es kaputt, auch ein schönes Spielzeug“.

Die Kinderärztin hat gesagt, dass sie ihn einfach lassen sollen und warten, bis er dann stirbt. Der Kleine hat noch nie eine wirkliche umfassende Untersuchung bekommen. Ich weiss, dass ich nun mindestens eine Stunde Zeit brauche und mache die Türe hinter mir zu. Ich höre mir die Eltern an und beobachte dabei auch Ermiri. Es scheint ihn nicht zu interessieren; seine neue Umgebung auch nicht. Er ist einfach da, aber er ist da und atmet. Das ist schon mal was. Anfangs hat er die Augen geschlossen, dann guckt er mal aus den Augenwinkeln.  Ich sage: „Hej, wer bist denn du?“ und kitzle ihn ein wenig am Kinn. Er reisst die Augen auf. „Aha!“…denke ich. „Erster Kontakt!“ Ich möchte ihn nicht mit Körperkontakt erschrecken und hole die grosse Klangschale, die erst neulich mit einem Transport aus der Rheinau kam. Vorsichtig schlage ich die Schale an. Der dunkle warme Ton scheint in seinem Gehirn, in seiner Seele und im Körper etwas von ganz Ferne oder von unendlicher Tiefe wachzurufen. Ermiri macht die Augen ganz auf und uns allen stockt der Atem. Der Kleine horcht und horcht und geht förmlich in seine eigene Tiefe und taucht auf und hat ein wunderschönes Lächeln aus der Tiefe seines Seins mitgebracht. Die Eltern sind völlig verzaubert, der Vater weint. Auch ich bin am Schlucken. Der Vater kann es immer noch nicht glauben, dass sein Sohn reagiert hat. Ich schlage nochmal die Klangschale an. Ermiri horcht in sich hinein, lächelt und dann lacht er laut. Er lacht laut. Die Eltern haben das noch nie bei ihm erlebt. Er zappelt. Es ist mir klar, dass er die Klangschale entdecken will, dieses Ding, das ihn in die bunte Welt geholt hat, dieser Klang, der sein Inneres aufgeweckt hat. Wir schlagen die Schale an und dann öffne ich sachte die Faust von Ermiri und lege den Klöppel in seine Handfläche. Das tue ich mehr im Effekt, denn wenn ich überlegt hätte, wäre ich vor diesem Schritt zurückgeschreckt. Eigentlich kann er das nie und nimmer können! Aber es geschieht:

Ermiri greift nach dem Klöppel und schlägt mit meiner Unterstützung auf die Klangschale. Er ist fasziniert über sein Tun. Ich auch. Es ist Glück, pures Glück, was wir hier gemeinsam erleben. Und ich denke an den Geruch des Friedens, an die Farben von Frieden und Glück. Beides gehört irgendwie zusammen. Solche Momente sind Highlights, aber es gibt viele Momente, die da sind und uns sagen, dass wir zum Frieden gerufen sind, zum Aufbau und zur Kreativität.

Da ist unser Antonio. Er ist mit seiner sehr schweren Behinderung ein Sonnyboy. Das müssen wir sagen. Seit drei Wochen geht er in den Kindergarten. Die Ida holt ihn ab und er hat dort eine kleine Freundin. Er quietscht vor Freude, wenn wir ihn darauf ansprechen. Heute habe ich ihn dann mit einem „Parfum for men“ parfümiert und er ist völlig ausgeflippt. Er wird am 12. Juni 12 Jahre alt.

Am Sonntag ist mir nach der Heiligen Messe ein Mann nachgelaufen. Er hielt mich am Arm fest und küsste mich hundertmal auf die Stirn und sagte ständig: „Danke für all das, was ihr hier tut. Danke, danke.“ Ich habe mich etwas verlegen ziemlich schnell verdrückt. Aber vielleicht riecht so „Frieden“?
Und da steht dann die Dushe, die Romafrau und meine schon wie auf ewig gefühlte Freundin vor der Türe. Sie erzählt die brutale Geschichte vom Vorabend: Shpetimi, ein 27-jähriger Roma und Vater zweier kleiner Kinder ist auf der Strasse, direkt bei der Muttergotteskirche von einem Auto erfasst und überfahren worden. Der Fahrer ist geflohen. Seine Frau war mit ihren zwei Kids am Strassenrand beim Betteln, weil die Gläubigen vorher dort in der Kirche waren. Die Frau kann seitdem nicht mehr reden, sie ist wohl wie gelähmt am Strassenrand sitzen geblieben. Das Kind mit vier Jahren hat erzählt. Shpetimi ist noch ein paar hundert Meter bis vor die Baracke von Dushe gekommen. Dort brach er zusammen und jede Hilfe kam zu spät. Leider hat die Tankstelle verweigert, die Überwachungskamera rauszugeben. Das Video scheint nun gelöscht zu sein. „Es war ja nur ein Roma!“, meinte Dushe resigniert.  Ich spüre, wie Wut in mir hochsteigen möchte. Ich nehme Dushe in den Arm und sage: „Er war ein Mensch und alle Menschen sind gleich und das weiss jener, der ihn jetzt in sein grosses Herz aufgenommen hat. Dushe, du und ich – es ist kein Unterschied oder?“ Sie küsst mich und sie weint. Dann gebe ich ihr etwas Geld, um den Sarg für Shpetim zu kaufen. Sie können ihn ja nicht einfach in die Buna schmeissen, denke ich. Und ich gebe ihr eine Kerze mit und eine rote Rose. Sie weint nochmal, küsst die Rose und mich. So riecht vielleicht Frieden in einer feindseligen Umgebung, die sich in einer Hackordnung von oben nach unten selbst behauptet und die Degradierung braucht, um sich selbst noch zu spüren.

Und der Abraham beschäftigt sich gerade mit Armut und differenziert sehr gut. Er spricht von „äusserer und innerer Armut“ und checkt so langsam auch die sozialen Zusammenhänge hier. Er geht seit geraumer Zeit in eine Gemeinde, um sozial ganz schwachen Kids die deutsche Sprache zu lehren und mit ihnen Zeit zu verbringen. Und gestern sagte er mir, dass er mehr tun möchte, sich noch weiter sozial engagieren. Er ist so versöhnt mit seiner Krankheit, dass er z.B. auch sagen kann, dass der Rolli wie ein Teil von seinem Körper geworden ist. Vielleicht riecht so Frieden?

Das ist alles sehr, sehr winzig, aber es ist friedlich und da gehören vielleicht sogar auch unsere Katzen dazu. Also, ich bin kein Katzen-Fan. Aber ja: unsere alte schwarze Katze hat vier Junge geworfen. Unter den Büschen am Mäuerchen. Wir haben dann eine rote Holzkiste als Katzenhaus dazu geschoben und die vier Kätzle sind schon ganz schön kräftig. Vor zwei Wochen nun rief mich Sr. Michaela und sagte etwas ironisch: „Komm mal, wir haben ein Geschenk bekommen – über Nacht!“ Das Geschenk war auch noch in einem Karton. Aber auf tappeligen Füssen kamen mir vier weitere struppige junge Kätzchen entgegen. Es kam nicht gerade Freude auf, muss ich gestehen. Inzwischen sind sie integriert und fressen halt mit. Und wir passen sehr auf, dass wir sie nicht mit dem Auto überfahren. Eine andere Katzenmutter, deren Junge nicht mehr sind, die aber geworfen hat, macht erste Schritte, um die Vier zu adoptieren. Sie spielt ab und zu und fängt an, sie zu erziehen. Vielleicht riecht es nach Frieden. Und letztlich bleibt uns das Gebet und die Bitte um den Geist des Friedens, der nur geschenkt und empfangen werden kann.

Und uns ist es wichtig, uns bei Euch allen zu bedanken für all Euer Wohlwollen, Eure Gebete, Eure Zeit und Eure materielle Hilfe. Die Zeiten sind schwer und gestern hat es hier schwer gehagelt. In etlichen Teilen des Landes ist die Obst- und Gemüseernte vernichtet. Armut lauert überall und greift um sich und Eure Hilfe ist das einzige

Gegenmittel, das wir haben. DANKE.

Mit den besten Segenswünschen und mit herzlichem Gruss
Sr. Christina und Sr. Michaela

Praktikumsfahrt unserer Fachoberschule

Im Rahmen einer Praktikumsfahrt unserer Münchner Fachoberschule aus hatten Paul und ich (Emilie), die einzigartige Chance, den Alltag der Schwestern Christina und Michaela im albanischen Kloster für einige Tage begleiten zu dürfen.
 
Ursprünglich waren wir eingeteilt worden, im angrenzenden Kindergarten mitzuhelfen. Von Anfang an waren wir fasziniert von der herzlichen und offenen Atmosphäre der Räumlichkeiten. Sowohl die Mitarbeiterinnen als auch die Kinder empfingen uns mit offenen Armen und zeigten uns ihren Alltag.

Später bot Schwester Christina uns an, mit ihnen eine junge Roma-Familie zu besuchen. Wir brachten den Kindern Spielzeug und Schokolade in ihren Slum und spielten mit ihnen. Das war ein augenöffnender Moment für uns beide. Uns wurde vor Augen geführt, wie reich und behütet wir in Deutschland aufwachsen. Mädchen und Frauen müssen nicht fürchten, zwangsprostituiert zu werden, keiner muss hungern, unser Gesundheits- und Schulsystem sind stabil aufgebaut und kein Kind wird in Kindergarten oder Schule geschlagen. Es ist keine Selbstverständlichkeit, unsere deutschen Privilegien zu haben und einmal mehr sind wir sehr dankbar für jeden Tag, den wir in einem sauberen Klassenzimmer sitzen und ohne Angst durch die Stadt laufen können.

Wir sind tief beeindruckt, von der Arbeit, die die Schwestern jeden Tag leisten. Neben den Hausbesuchen pflegen sie in ihrer Ambulanz Verletzte, helfen Frauen und Kindern, die häusliche Gewalt erfahren haben und kümmern sich nebenbei um zwei Jungen, die als Babys zu ihnen kamen.

Jeden Tag erzählten die beiden Frauen uns von Situationen, die sie bereits erlebt hatten. Nicht selten ging es dabei um Blutrache, Gewalt oder Korruption, die leider noch immer große Probleme des sonst so wunderschönen Albaniens darstellen. „Ja, sie brauchen uns, aber wir brauchen sie mindestens genauso sehr.“, sagte Schwester Christina über die Menschen, denen sie jeden Tag begegnet. Denn bei alldem haben die Schwestern ihre wunderbar offene Art nicht verloren und geben jeden Tag ihr Bestes, den Menschen in Shkodra zu helfen. Wir sind sehr dankbar, diese Erfahrung gemacht zu haben und denken oft und gerne an die Tage im Kloster zurück.

 

Alles anders ?

Liebe Schwestern und Brüder in der Heimat

Wenn so viele in diesen Tagen ihre geliebte Heimat verlassen mussten, wenn für so viele die Heimat in diesen Tagen zum Grab wird, dann denke ich dankbarer denn je an Euch in meiner Heimat. Und ich grüsse Euch und sage Dank für alle Anfragen in der letzten Zeit, wie es uns denn geht – auch ob der veränderten Situation durch den Überfall auf unsere ukrainischen Schwestern und Brüder und die damit verbundenen globalen Probleme, die halt uns in den armen Ländern härter treffen. Gerne berichte ich von uns hier und wie es uns so geht: «Alles anders!» - so möchte ich sagen und doch wieder «nicht anders».

Ja, ich habe das Gefühl, die Osterglocken draussen blühen anders als vor dem Krieg die Veilchen, die ersten Obstbäume. Ich höre den Wind anders sein Lied singen: als wären die Todesklage und die Angst der Menschheit vor dem grossen Krieg hineingewoben! Ich sehe den Regen fallen, um den wir gebetet haben. Aber er fällt wie die Tränen der Mütter, die ihre Söhne im Krieg verlieren, gerade eben. Und ich lese eben den Kreuzweg, den unser ukrainischer Freund Ivan geschrieben hat – mitten im Krieg. Und ich erlebe mich, wie ich nochmal anders denke, wie ich meinen lila Schleier schon in der Frühe «anders» umbinde, wie ich diese Farbe «violett», die Farbe der Versöhnung und Busse bewusster wahrnehme. Das Leben ist verletzlicher geworden – so scheint es mir. Und es wird mir bewusst, wenn unser Abraham mich plötzlich fragt: «Du, wie weit weg von uns hier ist Odessa?» oder «Wie weit kann eine Rakete mit einer Bombe fliegen?» Und bei Tisch? Wir haben mit unseren Freiwilligen festgestellt, dass unsere Gespräche anderes geworden sind, auch unser Sprachschatz hat sich verändert! Wir reden plötzlich über Lazarett und Panzer und Bomben und Kriegsverletzungen und Gasbrand und Feind und Minen. Unsere Jugendlichen kommen verstört in die Gruppe und sagen, dass es doch gut ist, wenn man Waffen habe daheim. Das sind so unsere «inneren Befindlichkeiten». Der Ukrainekrieg hat hier die Kosten explodieren lassen. Ob dies jedoch nur der Gewinnsteigerung der grossen Unternehmer zuzuschieben ist, dies wissen wir nicht. Schwester Michaela hat überall noch preislich erschwingliche Lebens-mittel eingekauft, damit wir die Armen noch eine Weile versorgen können. Zwischendurch gab es weder Mehl noch Öl, inzwischen sind die Regale wieder aufgefüllt. Jedoch sind alle Lebensmittel, sogar Salz bis zu 50 % teurer geworden. Benzin und Gas sowieso. Durch die lange Trockenheit ist der Strompreis am Hochschnellen und Stromabschaltungen sind wieder an der Tagesordnung. Eine dazu gekommene Hühnerpest bei Durres hat dazu geführt, dass einige Hunderttausend Hühner getötet werden mussten und die Preise für Eier sind um das Doppelte gestiegen. Ich habe für Schwester Michaela inzwischen den Spitznamen «Hamsterin» parat, wenn sie wieder mit einer Fuhre Lebensmittel ankommt, die sie noch zu passablen Preisen irgendwo von einem Lieferer aufgetrieben hat. Und so stehen jeden Tag halt mehr bettelnde Menschen vor unserem Tor und wir können nur Tag für Tag gucken, wie wir Not lindern und helfen können. Eine Flasche Speiseöl und ein Kilo Mehl für eine Mutter mit ein paar Kindern ist schon ein Fest. Und daneben bringen Patienten immer noch Lebens-mittel zu uns, um ihre Dankbarkeit zu zeigen: ein paar Eier, Milch, selbst gebutterte Butter, ein eben für uns geschlachtetes Huhn, oder Spinat und Kopfsalat aus der ersten Ernte vom Treibhaus. Wir geben auch da weiter an jene, die nichts mehr haben.

In unserer Ambulanz haben wir seit zwei Monaten mehr Patienten denn je. Das medizinische System scheint wie ausgeblutet. Viele Krankenschwestern und Ärzte sind in den Westen. Es ist eine Misere ohnegleichen. Ich glaube, ich sage am Tag mindestens einmal, dass ich niemanden mehr übernehmen kann und dann hupt es draussen vor dem Tor. Das bedeutet: Notfall! Und ich sage: «Ok, halt rein mit dem Patienten.» Und so stand da der Andi draussen. Andi war bei uns im Kindergarten. Er war damals sehr vernachlässigt und wurde sehr gewaltvoll erzogen. Seine Mama war völlig überfordert. Die Erzieherinnen sind Andi mit viel Geduld begegnet und konnten dann Vertrauen aufbauen. Und nun, mit 10 Jahren, brachte ihn die Mutter schwer verbrannt zu uns. Andi war völlig verstört und schrie nur immer, seine Hände wären im Feuer geblieben. Was war geschehen? Andi hat einen jüngeren Bruder mit autistischen Symptomen. Und der hat ihn angezündet. Andi war in Flammen gestanden und sein Pullover aus Fliess war in die Haut eingebrannt. An den Rippen hingen die Hautfetzen zusammen mit dem verbrannten Kunststoff herunter und Andi schrie wie am Spiess und zitterte am ganzen Körper. Sie hatten ihm noch kaltes Wasser drüber geschüttet. Er konnte sich gut an mich erinnern und so wurde er langsam ruhiger und konnte kooperieren für die Erstversorgung. Die Wunden waren tief und wir mussten Andi für einige Tage nach Tirana in die Brandklinik schicken. Dort blieb er dann nicht mehr; er kam zurück und der Arzt meint, er wäre hier besser aufgehoben. Wir staunen nur immer, wie viel unsere Kids hier aushalten. Und heute hatte ich dann wirklich den Eindruck, dass es Andi langsam besser geht. Aber die Heilung wird noch etliche Wochen dauern. Als ich ihn heute fragte, was er denn gerne esse, da sagte er ganz feierlich: «Äpfel, Schwester, ich möchte immer nur Äpfel essen.» Und er schaute fast verschämt zu seiner Mama, die den Blick senkte. Äpfel sind teuer, zu teuer für Andis Mutter. Feli brachte ihm zwei Äpfel und der Andi war einfach glücklich. Ab jetzt warten hier nach dem Verbandswechsel halt Äpfel auf ihn. Und ich muss mir derzeit verbieten, in der Ambulanz bei der Versorgung der Kids an die Kinder in der Ukraine, in Mariupol zu denken, die gänzlich unversorgt sind. Es ist schon genug, wie miserabel die Kinder hier versorgt werden. Vor drei Tagen brachten Eltern einen Zweijährigen. Axhi hat noch einen Zwillingsbruder und er ist mit einer leichten Zerebralparese geboren. Wenn er gehen möchte, dann kommt er sofort in den Spitzfuss und in die Spastik. Er zeigt leichte Auffälligkeiten in der psychomotorischen und intellektuellen Entwicklung. Der Krankengymnast hat ihn aber dermassen traumatisiert, dass der Junge inzwischen alles verweigert und bei der kleinsten Berührung losbrüllt. Die Eltern werden völlig alleine gelassen und man hat ihnen nun gesagt, dass er Orthesen braucht, um endlich laufen zu lernen. Mit zwei Jahren müsse er das halt einfach können. Wir werden nun nach anderen Wegen suchen. Und derweil haben wir im Prinzip eine ambulante Sozialstation. Das heisst, wir fahren immer öfters raus in die Dörfer oder auch in die Stadt, um Bettlägerige zu besuchen und Sterbende, vor allem Krebskranke, zu begleiten. Die Warteliste ist lang, die Wege auch teilweise weit und holperig. So sind wir morgen unterwegs Richtung Grenze. Eine Frau mit Krebs und bereits mit offenen Wunden am ganzen Körper wartet auf die Schwestern. Und so war auch ein muslimischer alter Mann im Kirtal, der da seit Monaten liegt und nun von uns gehört hat. Die ganze Sippe wartete auf den Besuch. Und Michael, Lukas und ich wurden nach dem Krankenbesuch bewirtet wie bei einem Staatsbesuch. Aber der alte Mann, Alil, sprach lange mit mit – eben über die letzten Dinge. Er meinte dann schmunzelnd, dass er jetzt schon gehen könnte von dieser Welt und ich solle es dann halt seiner Frau und seinen Kindern sagen, weil die sein Ende nicht sehen wollten.

Viele von Euch haben nach unserem Sorgenkind, dem Edison, gefragt. Nun, wir haben viele bange Wochen gehabt. Endlich, nach vielem hin und her, ist Edison nun im Krankenhaus. Derzeit werden Möglichkeiten gesucht, die multiresistenten Keime zu reduzieren, um dann amputieren zu können. Wir bangen aber immer noch, ob er das alles überlebt, denn seine Blutwerte sind schlechter geworden. Er hat immer noch die Hoffnung auf ein Wunder, dass er die Beine behalten kann. Es ist schwer für ihn und noch schwerer für sein Umfeld, sich mit dem Schicksal, dann ein «Amputierter» zu sein, abzufinden. Dies kommt hier dem Verlust jeglicher Menschenwürde gleich – so scheint es uns wenigstens.

Und derweil ist es Frühling geworden.  Und draussen im Livade, im ehemaligen vermüllten Kanal, blüht langsam der angelegte Garten wieder. Und die Frauen kamen und sagten mir, dass sie nun Haselnusssträucher gepflanzt haben. Und ich müsse mir keine Sorgen machen. Sie werden den Garten selbst gut pflegen und dann müssten ihre Männer im Herbst die Nüsse daheim aufknacken und hätten auch wieder mal was zu tun. Wir trafen uns dann in einem Magazin zum Friedensgebet. Ich hatte mit einigen wenigen Frauen gerechnet. Aber da war am letzten Samstag das ganze Livade auf den Beinen. Und sie beteten aus der Tiefe ihrer Seelen – dies war spürbar. Am Ende kam Katarina mit einigen anderen Frauen etwas verlegen zu mir. Sie wollten ein Geständnis ablegen, wie sie sagten. Ich guckte ein wenig verdutzt und hockte mich auf einen wackligen Stuhl. Dann sagten sie etwas verschämt: «Schwester, wir haben das Vaterunser verlernt. Deshalb konnten wir nicht so gut mitbeten.» Ich bot ihnen an, es wieder zu lernen und sie waren sehr erleichtert und beteuerten, dass sie wieder beten lernen möchten. So werden wir gemeinsam beten lernen. Und so gehen wir – beten lernend – Ostern entgegen.

Wir wünschen Euch allen in diesen Tagen die Tiefe des Gebetes und des Auferstehungs-glaubens. Das Leben ist uns gegeben   -   auf ewig!

Und wir danken einmal mehr für all Eure Solidarität und all Eure Hilfe.

Lebendige, beseligende Ostern!

Eure Schwester Christina

 

andi erstversorgung

Andi nach der Erstversorgung 1

Einladung zum Münsterlauf 2020


Liebe Laufgruppen und Teilnehmer des Münsterlaufes

Einladung zum Münsterlauf 2020


Liebe Laufgruppen und Teilnehmer des Münsterlaufes


Komm mit, wir laufen nach Albanien!


von Armin Furthmüller und dem Förderkreis Sr. Christina


War es anders zu erwarten? Nein, man musste damit rechnen, dass auch der Münsterlauf 2020 dem Virus zum Opfer fallen würde…aber HALT! da hat Covid19 die Rechnung ohne den Wirt gemacht! So leicht lassen sich Missionsausschuss und die Organisatoren vom Förderverein Sr. Christina nicht unterkriegen.


Auch wenn der Münsterlauf und die damit verbundene Spendenaktion nicht im gewohnten Rahmen einer Großveranstaltung stattfinden kann, was hindert denn den  Einzelnen zu laufen? Genau! Nichts hindert ihn und uns daran, zu laufen, zu spenden und unsere Solidarität mit Albanien nach Außen hin kundzutun.


Und genau deshalb sind sich die Organisatoren einig: Der Münsterlauf findet statt! In 2020 halt anders, denn man kann nicht gemeinsam laufen, aber man kann sich zu einer Lauf- und Solidaritätsgemeinschaft zusammenschließen!


So wird es dieses Jahr auch hier einen neuen Weg der Durchführung geben und auch ein besonderes Ziel:


Gemeinsam nach Shkodra laufen - 1280 Kilometer zu Sr. Christina – beim Münsterlauf 2020 im Aktionszeitraum 26.09. bis 04.10.2020


Jeder kann mit seinem eigenen Lauf virtuell einen Teil des Weges zurücklegen und gleichzeitig für Schwester Christina spenden

 

Nur soviel:


•    Wir haben im Internet eine Laufgruppe „Münsterläufer“ gegründet.
•    Sie melden sich - wenn möglich - als weiterer Münsterläufer an (Anmeldung ist absolut freiwillig und kostenfrei)
•    Sie spenden ein freiwilliges Startgeld in unbestimmter Höhe an den Förderverein (Verwendungszweck „Münsterlauf“)
•    Spendenkonto :

Förderverein Sr. M. Christina Färber
Raiffeisenbank Donauwörth
Spendenkonto:  Verwendungszweck  „Münsterlauf“
IBAN: DE26 7229 0100 4006 4216 01
BIC: GENODEF1DON

•    Im Aktionszeitraum zeichnen Sie Ihre absolvierte Strecke mittels Tracking-App oder Laufuhr oder einfach so auf.
•    Am besten machen Sie noch ein Foto von Ihrem Lauf.
•    Ihr Ergebnis und das Foto speichern Sie in der Laufgruppe oder teilen es den Organisatoren mit.

(wir wollen ja wissen, wie weit uns die Schritte geführt haben).


Für Rückfragen steht Ihnen Herr Furthmüller auch telefonisch oder per E-Mail zur Verfügung – Kontaktdaten bekommen Sie im Pfarrbüro ganz unkompliziert. E-Mail Pfarrbüro: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! Telefon Pfarrbüro 0906-706280.

 

Und hier die Anleitung zur Tracking-App.

 

 

Aktueller Situationsbericht aus dem Klösterle in Albanien

Liebe Freunde in der Heimat

Es ist heiss, seit Tagen haben wir hier bis zu 38 ° und hohe Luftfeuchtigkeit.

Gott sei Dank ist die online-Schule für die Kids erstmal in Ferienpause; wie es dann im September weitergeht, wird sich zeigen. Damit bin ich schon bei Corona – ob ich will oder nicht. Die Krise hat den Westbalkan und damit auch Albanien nun voll getroffen, die letzten Monate waren die Erkrankungszahlen eher gering. Nun scheint das Gesundheitssystem, das sowieso schon marode war am Rande des Kollaps zu sein. Wir waren bis vor kurzem Anlaufstelle für viele, viele Patienten, die in den Krankenhäusern nicht mehr versorgt wurden, da Stationen geschlossen waren. Nun sind wir seit einer Woche in Selbstisolation, da wir engen Kontakt hatten mit einer Familie, die nun von Corona betroffen ist. Mich hat es mit Symptomen erwischt und ich brauche wohl etwas Zeit zur Erholung.

So versorgen wir die Patienten nicht mehr hier vor Ort, sondern sind auf Anleitung zur Selbstversorgung umgestiegen. Das Material geben wir mit nach Hause. Wir hoffen, dass wir in Kürze wieder die Schwerkranken daheim versorgen können. Die Krankenbetten sind alle vergeben; wir sind sehr froh um die Betten, die zum nächstmöglichen Zeitpunkt des Transportes kommen sollen. Und wir hoffen, dass uns Verbandsmaterial so lange ausreicht.

Wie ja oft in den westlichen Nachrichten kommt, trifft Corona und die Auswirkungen die armen Länder besonders hart. Das gilt auch für Albanien, das ja zu Europa gehört. Viele haben ihre Arbeit verloren; die Tagelöhner können seit Monaten nicht mehr in die Nachbarländer. Kleinunternehmer sind bankrott, Fabriken dicht. Hier gibt es kein Hilfspaket für die Betroffenen. Die Urlauber bleiben aus, da für Albanien eine dringende Reisewarnung besteht. Wir sind hier im Norden so ein «Kap der Hoffnung» geworden. Wir spüren es jetzt, da wir sozusagen abgeschottet sind. Viele, Viele rufen besorgt an, viele Arme bringen noch das letzte vorbei, das sie im Garten haben und warten auf die erneute Öffnung der Klosterpforte und bangen wohl etwas zu sehr um uns. Ich selbst muss ein wenig mehr Geduld damit haben, dass ich  noch schnell sozusagen ausser Atem bin. Unsern geplanten Urlaub in Deutschland haben wir bereits abgesagt, da wir mit unseren zwei albanischen Kids nicht einreisen können. Wir sind mehr als dankbar, dass so viele von Euch in der Heimat uns hier weiter unterstützen und dass Corona nicht die Grenze zur Solidarität für Euch ist. DANKE.

Wir wünschen Euch allen Gottes Segen und Erholung in einer vielleicht etwas anderen Sommerzeit.

Sr. Christina mit Sr. Michaela und den Kids

Münsterlauf mit Rekordbeteiligung

DSC 0036

Stadtpfarrer Neuner und Bürgermeister Neudert gaben am Freitag Abend gemeinsam den Startschuss zum traditionellen Münsterlauf. Sie schickten insgesamt 229 Teilnehmer auf die ca. 1,2 km lange Strecke, die vom Liebfrauenmünster über die Reichstraße ins Ried und von dort aus über den Wörnitzsteg und den wundervoll mit vielen kleinen Kerzenlichtern geschmückten Hl.-Kreuz-Garten zurück zur Kirche führte.

Noch nie war das Teilnehmerfeld so groß; im letzten Jahr waren es 136 Starter. Das Teilnehmerfeld reichte vom Profiläufer bis zum einfachen Sparziergänger; jeder konnte sich so verausgaben, wie er wollte. Besonders erfreulich war eine große Anzahl von Kindern und Jugendlichen. So schickten die Ministranten aus Riedlingen 47 Teilnehmer an den Start, gefolgt von den TriaKids aus Harburg mit 45 Startern sowie den Ministranten der Donauwörther Pfarreiengemeinschaft mit 38 Teilnehmern.

In der zwei Stunden andauernden Veranstaltung konnte jeder Teilnehmer so viele Runden zurück legen, wie er wollte. Gezählt wurden sowohl die Einzelrunden, wie auch die in der Mannschaft gelaufenen Runden.
So kamen insgesamt 1736 Stadtrunden zusammen.

Christian Seidel, Norbert Schröttle, Christian Weiland und Bernhard Martin  hatten die Strecke jeweils18 Mal zurück gelegt. Benjamin Urban drehte 17 Runden, während Fabian Matzke, Andreas Müller und Thomas Kreppold jeweils 16 mal das Ziel passierten.

In der Gruppenwertung gewannen die Ministranten aus Riedlingen mit 365 Runden, vor den TriaKids aus Harburg, die 357 Mal um die Stadt gelaufen waren. Den dritten Platz belegte das Team Steiner mit 261 Runden, gelaufen von 27 Startern.

Die weiteren Platzierungen:

 

4.    Ministranten Donauwörth 194 Runden mit 38 Startern
5.    SV Mauren 128 Runden mit 16 Startern
6.    Pfarrei Maria Himmelfahrt Flotzheim 106 Runden mit 11 Startern
7.    Team Cool Runnings 92 Runden mit 10 Startern
8.    Johanniter  89 Runden mit 9 Startern
9.    Ministranten Buchdorf  50 Runden mit 5 Startern
10.    Alpenverein 8  Runden mit 1 Starter

Dank der Unterstützung vieler Sponsoren und Spender konnte ein stattlicher Betrag gesammelt werden, welcher der Arbeit von Sr. Christina in Albanien zugute kommt.

Stadtpfarrer Neuner dankte bei der Siegerehrung den Läufern, Sponsoren, Spendern und Organisatoren für deren Engagement und kündigte für 2019 eine Neuauflage an.

Thomas Scheuerer

 

 

 

Hier gibts eine Bildergalerie vom Lauf!

 

 

 

muensterlauf auswertung 1

 

 

 

 

Kleines Sommerfest des Fördervereins Schwester Christina


In Zusammenarbeit mit den Johannitern und den Donauwörthern Pandas veranstaltet der Förderverein Schwester Christina am Samstag, den 18. August von 12.00 bis 16.00 Uhr ein kleines Sommerfest auf dem Gelände und in der Turnhalle Nordheim, Pestalozzistr. 2. Man kann Rollstuhlbasketball ausprobieren, in der Hüpfburg hüpfen, warme Würstle mit Semmel und Kaffee und Kuchen genießen. Es soll ein Nachmittag der Begegnung werden mit Schwester Christina und ihrer Klosterfamilie aus Albanien. Nicht nur Vereinsmitglieder sind eingeladen, sondern alle die interessiert sind, ob jung oder alt!

 

 

Förderverein organisiert Transport nach Albanien


Der in Donauwörth ansässige Förderverein, der die Arbeit von Sr. Christina in Albanien im dortigen Kloster der Spirituellen Weggemeinschaft fördert, organisierte wie jedes Jahr wieder einen Hilfstransport.

 

Während in der Vergangenheit die Verantwortlichen des Vereins  selbst nach Shkodra/Albanien gefahren waren, hat man unter anderem aus Kostengründen auf den Transport durch eine Spedition umgestellt. Der Verein verfügt seit einigen Jahren über gute Kontakte zu einer niederländischen Spedition, welche die Hilfsgüter kostengünstig als „Beiladung“ mit in das osteuropäische Land nahm.

 

Über 20 Helfer sortierten und verpackten in den vergangenen Wochen knapp 6 t Hilfsgüter. Diese bestanden aus Kleidung, Medikamenten, Verbandsmaterial, Hygieneartikeln  und Spielsachen. Auch mehrere Kleinmöbel und Krankenbetten wurden befördert. So war die zur Verfügung stehende Ladefläche von fast 50 Kubikmetern schnell gefüllt.

 

Zwischenzeitlich ging die Nachricht ein, dass der Transport sein Ziel erreicht hat und die Hilfsgüter vor Ort mit großer Freude empfangen wurden.

 

Insbesondere zum Zwecke der Krankenversorgung benötigt die gelernte Krankenschwester Medikamente und Verbandsmaterial, denn viele Bewohner aus dem Umfeld des Klosters können sich eine ärztliche Behandlung nicht leisten und sind auf die Hilfe der kleinen Krankenstation im Kloster angewiesen.

 

Sr. Christina dankt auf diesem Wege allen Spender und Helfern und versichert, dass alle Sachen gut gebraucht werden können.


Thomas Scheuerer

 

transport 01

 

transport 02

 

transport 03

 

transport 04

 

transport 05

 

transport 06

 

transport 07

 

transport 08

 

transport 09

 

transport 10

 

transport 11

Die Nacht der armen Seelen und der armen Kinder

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Freunde daheim


Guten Abend an Allerseelen. Viel ist los hier, ganz viel krasse Dinge jeden Tag in der Ambulanz, die Familie eines Freundes über Nacht in Blutrache, 20 Pakete von uns stecken seit 10 Tagen im Zoll und wir kriegen sie nicht raus .


Und unmerklich hat der November mit Allerheiligen sein für ihn eigenes Kleid über uns gehängt. Die Jugendlichen haben gestern bei der Gruppenstunde einen Jahresheiligen als Begleiter gewählt und der Austausch über die verschiedenen Leben war tief und interessant. Da tauchen dann der Hl. Franziskus, die Clara, der Hl. Josef und die Bernadette, die Edith Stein aus der Vergangenheit  auf – für Augenblicke, die wie Ewigkeit in sich tragen. So fühlten wir alle in unserer Kapelle. Ja, die unsichtbare Brücke zur Vergangenheit in die Ewigkeit hinüber die haben wir dann am Abend auf dem Friedhof in der Stadt erlebt und gespürt und geatmet. Es war das erst Mal, dass ich hier an Allerheiligen am Abend auf den Friedhof ging.


Ich weiss gar nicht, ob ich es zu Euch rüberbringen kann, was wir erlebten, aber ich möchte es irgendwie vermitteln. Also: Vom Parkplatz zum Friedhof war alles Volk unterwegs – die Erwachsenen schwarz und Dunkel gekleidet, die Kids aufgeputzt, dazwischen die „Fukara“  (die Elenden), die man sofort erkennen konnte an der miserablen Kleidung, die Romakids teilweise noch barfuss.  Aber jene „Fukara“, die aus dem Friedhof kamen, hatten alle Tüten mit Essen dabei. An der Strasse machten die Topfblumenhändler und die Grablichterver-käufer das Geschäft des Jahres. Der Friedhofseingang  glich dem Eingang des Oktoberfestes mit Rakigestank, Lärm, Gedränge, Zigarettenrauch und auch mal ein lautes hitziges Wort-gefecht im Gedränge. Ein Mädchen brüllte nach ihrer Mama. Wir steckten in der schwarzen Menge, jemand rief: „Die Moter Christina, lasst sie rein.“ Ich hielt Luise, unsere Praktikantin, fest an der Hand.


Dann waren wir am Ort der Seelen, im Friedhof. Ein Meer von tausenden von Grablichtern flackerte. Es schien mir, als wollten auf jedem Grab die vielen Lichter und auch die kleinen Feuerchen den Seelen den Weg in die Ewigkeit leuchten. An den Gräbern waren die Angehörigen versammelt, einige standen stumm und ehrfurchtsvoll geneigt und schienen in der Erinnerung zu versinken und zu erstarren. Andere unterhielten sich mit gedämpften Stimmen und dann sahen wir eine Sippe, wie sie auf der Grabplatte ihre Plastiktüten auspackten. Luise und ich blieben in gebührendem Abstand stehen und ich murmelte ein Gebet für diese Verstorbenen. Die Sippe fiel in eine fromme ritualisierte Handlung: der wohl älteste Mann baute die Grablichter auf und zündete sie an, danach sich auch eine Zigarette. Die Frau richtete sorgfältig die am Strassenrand erstandenen Winterastern und dann verteilten sie die Speisen für die Seelen auf die Grabplatte: Kaki, Äpfel, Nüsse und zwei Gläser mit Raki zum Anstossen auf die ewige Seligkeit. Und dann wurde von allen mit leichten Verbeugungen im Schatten der Dunkelheit gemurmelt: Gib ihnen die ewige Ruhe und das ewige Licht leuchte ihnen…, immer wieder, als müssten sie das Paradies für die Verstorbenen in dieser Stunde erbeten. Wir gingen weiter, bzw. schlichen uns durch die engen Grabwege, die voller tückischer Löcher waren.  Etliche Gräber waren schon verwaist, da die Angehörigen früher waren als wir. Da fanden wir dann verbliebene Schokoriegel, der absolute Luxus für die Seele, immer wieder Rakiflaschen, Fruchtsaft, Obst, Nüsse, einmal einen Kuchen. Und die tausend Lichter und Blumen. Alles hat da Platz. Die prächtigsten Grabmäler hatten teilweise bis zu 15 Grablichter brennen, waren mit Kränzen bedeckt und das Seelenmahl war auf der Grabpatte bereitet, mit Zigaretten und Raki. Ein angebissener Apfel liess mich laut Luise fragen, ob da wohl halt doch eine Seele da war….


In einer abgelegenen Ecke des Friedhofs tauchten plötzlich drei Kinder auf, nicht älter als 10 Jahre. Flink und geduckt im Schatten der Nacht bewegten sie sich zwischen den Gräbern und ich sah, dass sie Taschen hatten. Ich rief sie und sie wollten weglaufen. Da hörten wir, wie das Mädchen zu den Jungs rief: „Das ist Moter Christina“ und schon standen die Drei vor uns. Ich sagte: „Passt auf. Ihr wisst ja, dass ich keine Albanerin bin und Eure Tradition nicht kenne. Was macht ihr da? Sagt ihr mir das?“ Da kam das Mädchen, das mich kannte (ich sie aber nicht) näher und sagte: „Moter Christina, heute ist die Nacht der Seelen. Die bekommen alle heute etwas zum Essen auf das Grab. Das siehst du ja“. Ich nickte mehr oder weniger verständig. Dann kam sie noch näher und flüsterte geheimnisvoll: „Moter, aber weisst Du, die Seelen, die können gar nicht mehr essen. Die können da nicht raus!“ Sie zeigte auf die Grabplatte, die sie eben abgeräumt hatten, als wolle sie sich versichern, dass da wirklich  keiner rauskommt. Dann belehrte sie mich weiter: „Die Leute glauben, die da drin, die Seelen, die essen. Aber wir holen das Zeug“. Sie gluckerte mit den Augen und schwups waren sie weg. Ich sagte noch in die Nacht hinein und zwischen den Lichtern hindurch, wo sie verschwunden waren: „Na dann viel Glück!“ Und immer wieder sahen wir da und dort ein  Kind rumhuschen. Und dann wurde ich zum Helfer und rief hinter einem Grabstein vor: „Du, da liegt noch ein Apfel“. Ich glaube, zuerst hatte die Kleine gemeint, ich wäre eine verstorbene Seele, so verschreckt war sie. Dann kam ein vorsichtiges: „Dankeschön“ und ich sah im Schein der Grablichter, welch schönes Gesichtchen die Kleine hat, aber auch, wie arm sie ist. Und in diesem Moment dachte ich, wie doch so eine Nacht für die Seelen auch eine Nacht für die „Fukara“, für die Elenden und Hungernden, geworden ist. „Ob Gott lacht?“, dachte ich….Wir schlurften an einem Grab vorbei, als sich eine Frau aus dieser Gruppe am Grab löste und mich an sich heran zog. Sie sagte: „Das du gekommen bist zu meinem Kol,  das du gekommen bist“. Ich erinnerte mich an ihr Gesicht und an ihren vor einem halben Jahr verstorbenen Mann Kol. Er war lange unser Patient, da er während eines epileptischen Anfalls in das offene Feuer gefallen und sehr, sehr schwer verbrannt war. Ich sagte ihr, dass ihr Mann sicher bei Gott sei und wir beteten miteinander. Sie war glücklich. Sie weinte ein wenig und ichfragte sie auch, für wen der Raki und die Äpfel sind und sie sagte: „Für seine Seele.“ Langsam wurde  uns kalt. Ich hätte die ganze Nacht auf dem Friedhof verbringen können, das gebe ich zu. Da wurde mir wieder mal der Norden Albaniens  so vor Augen geführt. Hier ist so alles möglich, sogar auf dem Friedhof. Da ist fast heidnischer Ahnenkult mit frommer katholischer Tradition ohne weiteres beisammen, da  treffen sich die „Fukara“ und räumen die Grabplatten mit den gebrachten Speisen für die Seelen ab und feiern auf dem Friedhof ein Freudenfest. Da brennen Lichter und lassen den Glauben an das ewige Leben nicht erlöschen. Da ist der Tod nicht anonym und nicht aus dem Leben verbannt, ja da ist die Einfachheit und Unkompliziertheit des Lebens und des Sterbens und des Todes für mich so einfach und diskussionslos  zu spüren. Es ist, wie es ist und Vergänglichkeit und Ewigkeit reichen sich hier auf fast witzige Weise die Hand, in dem man am Grab mit oder auf den Verstorbenen einen Raki trinkt und sagt: „Qofte levduar Jesu Christi: gelobt sei Jesus Christus.“ Dies ist für diese einfachen Bergler nicht ohne Achtung vor dem Herrgott voll-zogen, sondern ehrenvoll und treu. Selbst der grösste Schurke schleicht sich an diesem Abend noch verstohlen ans Grab der Sippe und spricht ein Gebet und legt wenigstens noch eine Walnuss auf das Grab und trinkt eben einen Raki.  Und dann treffen wir noch unsere Nachbarn, die voll erfreut auf uns zukommen und Nikola sagt weise und mit frommer Miene: „Moter Christina, diese Nacht der Seelen ist eine grosse Nacht. Es ist gut, dass du hier bist“. Er klopft mir auf die Schulter.
Vielleicht habe ich heute Abend ein bisschen mehr von hier und den Menschen verstanden, so denke ich und gehe mit Luise ganz leicht nach Hause.

 


Mit liebem Segensgruss im November


Eure Sr. Christina

 

allerseelen

Aktuelles

  • 1

Über uns

  • Informationen zur Arbeit von Schwester Christina   Sie ist bestrebt, Opfer der im Land weit verbreiteten Blutrache zu betreuen. Vor allem weiter lesen
  • Sie wollen uns helfen? Sie wollen uns mit einer Geld- oder Sachspende helfen oder eine Patenschaft übernehmen?  In der PDF-Datei weiter lesen
  • 1

Webseite durchsuchen

Wer ist online?

Aktuell sind 185 Gäste und keine Mitglieder online

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.