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Um die Jahreswende und von der Sehnsucht


Liebe Schwestern und Brüder ,liebe Freunde in der Heimat


Grüss Gott am Fest der Erscheinung des HERRN. Abraham hat heute früh schon die Drei Weisen aus  dem Morgenlande von der Krippe weggeholt und auf den Frühstückstisch gestellt. Und ich dachte  über diese Lektion nach, wem und was er uns da aufgetischt hatte:  und mir viel nichts ein, als mich  zu fragen: „Habe ich die Sehnsucht dieser Weisen auch nur annährend, oder bin ich beruhigt, wenn  sie da an der Krippe bleiben und irgendwann wieder abziehen?“  Das so zum Fest.


Und über Sehnsucht, über meine Sehnsucht nach Gott, die Sehnsucht jener um mich herum,  da möchte ich nachdenken in diesem neuen Jahr.  Ja, da war eine Sehnsucht nicht nur nach ein paar  Paketen, nach „Materiellem“, diese Tage um uns herum zu spüren: Die Weihnachtstrucker kamen wieder – mit 7000 Paketen. Viele, viele Menschen aus Deutschland haben diese Pakete gepackt, die Truckerfahrer haben sehr lange gesammelt, sich auf den Weg gemacht, um Freude zu bringen. Voran die Johanniter, die wieder so viel organisiert haben. Ich sehe darin auch die Sehnsucht von vielen, vielen Menschen im reichen Westen, mit andern zu teilen. Wochen vorher wurden wir hier bereits wieder angefragt, ob die Leute mit den Paketen wieder kommen. Und wir spürten und spüren: es ist  eben mehr als das Paket, es ist wie ein nicht vergessen sein für die Armen, es ist wie ein wenig  Wertschätzung erfahren durch so ein Paket, es ist ein wenig gestillte Sehnsucht nach dem nicht vergessen sein. Gott ist in diesen Tagen näher, so meint man. Aber da gibt es natürlich auch das andere:  die Angst, nichts zu bekommen. Und wo die Not grösser geworden ist, da ist oft auch die Aggression grösser, die Kampfbereitschaft für ein Paket. Nun, ich beginne von vorne: 

Der 28. Dezember war der Ankunftstag der Truckerfahrer – über die Fähre in Durres wurden sie  erwartet. Die Nacht war windig und mit viel Regen. Schwester Michaela fuhr sehr früh morgens weg – ausgerüstet mit dem Begrüssungskaffee. Wir hier waren am Herrichten für 17 „Truckis“ – schon alte  Freunde  sozusagen. Schwester Josefa war extra aus Rheinau gekommen, um den ganzen Haushalt zu  „schmeissen“.  

Nebenhier lief die Ambulanz, da wir gerade sehr schwer verbrannte  Patienten haben. Mit zwei Stunden Verspätung kamen die Trucker an. Da eine Neujahrsfeier in Tirana war, konnte der Zoll  jedoch um 15.00 Uhr nicht mehr abgewickelt werden. Das hiess: Kein Abladen mehr am Abend! Zusätzlich fiel noch der Strom aus. Ein Anruf von einem Behördenmitglied bei der Stromgesellschaft  genügte jedoch diesmal und es machte wieder „klick“! Weiterkochen war gewährleistet. Nun, das Steckenbleiben im Zoll sind wir inzwischen auch gewöhnt. Und wir versuchen dann, solche Störungen als Chance zur Entschleunigung zu sehen. Wir hatten Zeit, mit den Truckerfahrern zu reden, schon  mal den Verteilungsplan anzugucken usw. Und wir beteten um gutes Wetter, denn es regnete in Strömen.  

Und am nächsten Tag war aufgehellt – wider den Vorhersagen - nach dem Wetterplan des  Allmächtigen - so konnten wir die Pakete ohne Aufweichen abladen und verteilen. Ich ging, wie jedes  ahr, erstmal mit zum Verteilen zu den Roma. Es war wieder grosser Aufmarsch und die Kids scharten  sich um uns. Auf einen Fingerzeig von mir mit eins, zwei, drei legten sie dann los und sangen und klatschten.

Dann erfuhren wir, dass die Beerdigung eines jungen Roma  ist und ich entschied, noch zur Trauersippe zu gehen. Alle Trucker kamen mit. Schon von weitem war das Klagen der Frauen zu  hören. Und der ganze Hang war voll von Trauernden. Der junge Mann mit 23 war mysteriös in  Frankreich umgekommen. Jetzt war er im Sarg mit Glasbedeckung und ich habe selten so ein schönes Gesicht gesehen. Die Trauer der Roma war ohnmächtig und ich spürte auch Wut. An der Wand  war ein überdimensional grosses Foto von dem Jungen und darunter stand: „Wir wollen Gerechtigkeit für unseren Sohn!“ Eine Tante, die auch Klagefrau war, sagte zu mir: „Wir wollen uns Gerechtigkeit holen, wenn wir sie nicht bekommen!“ Alle guckten mich erwartungsvoll an. Nun wusste ich, dass ich  sprechen musste. Zuerst zündete ich eine Kerze am Sarg an. Dann sagte ich ihnen,  dass ich sicher bin, dass dieser Junge jetzt da ist, wo es nur Gerechtigkeit gibt und Sicherheit und Leben in Ewigkeit. Und  ich sagte, dass am Ende alles gut wird, egal, ob sie auf Erden zu ihrem Recht kommen oder nicht. Wir  sind ja nur Pilger hier, sagte ich, ein Volk unterwegs, wie sie ja wissen, mehr als ich“.  Und alle  stimmten zu, sie horchten auf, sie küssten mir die Hand und dankten für den Trost. Es war wichtig,  dass wir diesen Besuch gemacht haben. Und sie freuten sich über das Paket von den Truckerfahrern.

Nachmittags waren wir in der Romakommunität am Fluss. Diese Roma müssen ihrem „Besitzer“ für  Wellblechbuden eine Menge Miete bezahlen und gehen dafür tagsüber in die Stadt zum Betteln. Wir  hatten berechtigte Sorge, dass Pakete bei ihm abgeliefert werden müssen. So verteilten wir an die  Kinder Bananen und hatten Schuhe und Strümpfe dabei. Die Armut dort ist so gross, dass die  Verteilung beinahe in einer Schlägerei geendet hätte. Zum Schluss regnete es dann wieder in  Strömen. Ein kleiner Junge kam barfuss an. Er verschlang auf meinem Arm eine Banane, dann gab ich ihm Schuhe. Ehe ich es überhaupt richtig begriffen hatte, glitt er von meinem  Arm und raste mit seinen Schuhen in den Armen über den verschlammten Platz Richtung Wellblechhütte. Der Schlamm spritzte über ihm hoch, ein Hund jagte ihm nach.

Am Samstag stand dann ein eher abenteuerliches Verteilungsprogramm für uns auf dem Programm.  Von Don Gjovalini wurden einige Pakete erbeten für ein paar Familien in einer sehr abgelegenen Gemeinde. Ein altes Ehepaar mit dem Enkel leben dort isoliert in Blutrache. Ich war bereits früher mal zu Besuch, er selbst wollte mit einigen Truckerfahrern und mir den Erstbesuch dort machen. Das Wetter hatte sich beruhigt und wir wagten es. Luise, Heidi, Manfred, Heinz, Lukas, Don Gjovalini und ich machten uns, ziemlich bepackt und winterfest, auf den Weg. Wir mussten mit einem Boot über  den Stausee. Nach einer kleinen Panne brachten uns die zwei Bootsführer da sicher rüber. Die Sonne  schien und es war fast wie in einem Western. Wir überquerten einen Hügel und wollten ins Flussbett.  Nach bereits hundert Metern kamen wir nicht mehr weiter, da der Fluss zu viel Wasser hatte. Der  einheimische Bootsführer erinnerte sich an einen Pfad, der vor 20 Jahren begangen wurde und schlug die ersten Dornen und Tritte für uns. Ein Indianerfilm ist ein Dreck dagegen. Wir lachten. Der Bootsführer hatte sehr viel Sorge um mich und nahm ständig meine Hand. Ich nahm auch ganz dankbar an, als es den schlammigen Pfad steil rauf ging. Dann waren wir beim Haus der Blutgeber. Die alte Frau sagte mir, dass ihr Mann seit Wochen wie gelähmt im Bett liege und gar nicht mehr auf die Füsse komme. Aber sie gab uns Einlass. Der Priester und ich gingen zuerst rein. Wir begrüssten  den Alten und der schlug das Kreuz. Über seinem Bett war eine Leine mit Trockenfleisch gespannt.  Dann sagte ich, dass da Deutsche gekommen seien, um ein Paket zu bringen. Beim Wort „Deutsche“  sass er aufrecht im Bett, dann am Bettrand und suchte nach seinen Pantoffeln. Er war nicht mehr zu  bremsen. Er suchte nach einer alten silbernen Schachtel unterm Bett und nestelte unter dem  Kopfkissen einen Beutel mit Tabak hervor. Damit füllte er die Silberschachtel. Dann fingerte er nach  seiner Mütze und seinem alten Frack und delegierte uns in die Wohnstube. Mark, so heisst der alte  Mann, hielt eine Rede. Er beteuerte ganz feurig, dass er gar kein Paket brauche, es reiche ihm so ein hoher Besuch völlig. Dem Priester sagte er, wie er doch ganz und gar unselig sei, weil er in dieser  Blutrachesituation wegen seiner verstorbenen Söhne sei. Der beruhigte ihn und sagte, er komme in  den nächsten Wochen zur Beichte und bringe auch die Hl. Kommunion. Der Alte war zufrieden und  hatte dann wieder ein grosses Lob und seinen Dank auf die Gäste. Er lebte sichtlich auf und seine Augen waren glänzig, als er von dieser Ehre des Besuches sprach. Wie lange mag er keine Menschen  gesehen haben ausser seiner Frau und seinem Enkelsohn. Dann verteilte der Alte, wie ganz in der Tradition,  Zigarettenpapier und Tabak und der Rauch stieg mir ätzend in die Nase. Beim Raki trank dann stellvertretend D. Gjovalini für uns alle und Mark, der Alte, sagte: „Gelobt sei Jesus Christus!“  und kippte einen. Und er wollte, dass wir alle lange bleiben. Die Sehnsucht nach Gemeinschaft, nach  Kontakt, nach Mitteilung seiner selbst war immens. Als wir gingen, liess er es sich  nicht nehmen, mit  uns bis an die Grundstücksgrenze zu gehen. Ich dachte an „Auferstehung“ in der Weihnachtszeit.  Unterwegs gab es noch über den Fluss einen Zuruf an eine andere Familie. Die kamen durch das  Wasser, um ihr Paket abzuholen. Diese Menschen dort sind bettelarm, leben einzig von ein bisschen  Tabakanbau, der nun auch besteuert wird. Und im Winter sind sie oft völlig isoliert, weil Schnee und  Wasser kein Rauskommen ermöglichen. Wer krank wird, der kann nur warten. Die einzige Zufahrt ist  eine von einer Raupe ausgehobene Fahrspur, die aber seit langem verschüttet ist. So ist auch der  Priester immer alleine zu Fuss unterwegs und legt viele anstrengende Kilometer zurück, um einem  Schwerkranken die Sterbesakramente zu spenden oder einfach die Menschen nicht alleine zu lassen.  Nach Neujahr bat er uns nun, zu einer Familie zu kommen, deren behinderte Tochter schwere Gleich- gewichtsstörungen hat. Wir werden einen Besuch machen, sobald wir nur können.

Als ich dort übers Wasser fuhr dachte ich unwillkürlich an die Bootsfahrt Jesu auf dem See. Und ich fragte mich, ob ich aussteigen würde, wenn ER mich nun rufen würde, übers Wasser zu kommen. Und ich wusste in diesem Augenblick, dass ER uns oft ruft, den Gang anzutreten, der uns nur auf IHN blicken lässt – egal, was aussen rum ist. ER sorgt – auch in diesem Jahr - wenn wir für uns sorgen lassen und nicht meinen, alles selbst machen zu müssen.  

So erwarten wir jeden neuen Tag in diesem Jahr und wir grüssen Euch alle mit dem Wunsch, der
inneren Sehnsucht nachspüren und nachgehen zu dürfen.

Mit herzlichem Segensgruss
Sr. Christina

 

jahreswende 2017 2018

Stille Helden oder wo der Geist  des Herrn das Antlitz der Erde erneuert

 

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Freunde in der Heimat,

Grüss Gott vor Pfingsten. Ich sitze gerade mit dem Laptop unter der Trauerweide und warmer Wind trägt belebenden Thymiangeruch aus dem Garten der Nachbarn herüber. Von der Wiese auf der anderen Seite trifft der Duft des frischen Heues meine Nase. Ich liebe diese dichte Zeit vor Pfingsten und im Warten auf den Geist des Herrn. Und in Zeiten hier, die alles andere als befriedet sind, ist dieser Glaube an den lebensspendenden Geist umso stärker, und mein Gebet darum auch flehentlicher. Und ich möchte Euch erzählen von ein paar stillen Helden hier, von einigen Jugendlichen, die sich nicht der Korruption beugen, die für Gerechtigkeit kämpfen, die an diese Kraft des Geistes Gottes glauben.

Da ist Vilma aus der Jugendgruppe. Sie kann, dank unserer Hilfe, Jura studieren. Ihre Familie ist arm. Seit sie ein kleines Mädchen war, kenne ich sie und hat sie an den Gruppenstunden teilgenommen. Wir hatten „Lagebesprechung“, d.h. regelmässig sprechen wir über die Situation der Jugendlichen in Schule und Studium, zu Hause ect. Die Jugendlichen können ihre Situation angucken, von vielen Seiten ihr Denken und Handeln reflektieren und auch erklären und oft fragen sie mich dann um meine Meinung oder um Rat. Nun, diesmal war das Thema: „Bleiben oder gehen!“, das Thema der diesjährigen Pfingstaktion von Renovabis. Viele sehen keinerlei Chance, hier eine Zukunft aufzu-bauen. Eine Jugendliche sagte mir: „Schwester, wir sind bereit zu hungern, wir sind bereit, auf Klamotten zu verzichten, im Winter barfuss zu laufen, aber wir sind nicht mehr bereit, Ungerechtig-keit und ständige Herabwürdigung hinzunehmen, nur weil wir nicht für Noten bezahlen. Alle nickten. Und dann sagt Vilma: „Sie bleibt, unter allen Umständen!“ Bereits im ersten Jahr ihres Studiums wurde ihre Note verschlechtert, weil ein anderer zahlte. Sie kämpfte, sie litt, sie forderte ihr Recht auf Einsicht in die Prüfung. Und sie bekam ihre verdiente Note. Der Kampf war hart, sie hat nächtelang nicht geschlafen. Sie hatte Angst, sie wurde gedemütigt, aber sie hat es geschafft. Und Vilma sagt, dass sie bleiben wird in ihrem Land. Sie ist wild entschlossen, für die Gerechtigkeit, für eine bessere gerechtere Zukunft alles zu geben, sogar auf eine Familie zu verzichten. Sie ist keine Schwärmerin, sie ist keine Träumerin sie ist mit beiden Füssen auf dieser Welt, in ihrem Land. Und was sie dazu bewegt: Die Bergpredigt, sagt sie, ihr Glaube und das Bewusstsein, dass sie sich im Spiegel anschauen kann, wenn sie geradlinig lebt. Ich habe grosse Achtung vor ihr. Pfingsten in diesem jungen Menschen, denke ich. Und da ist Dari. Sie hat Zahnärztin studiert. Ihre Eltern haben viele, viele Opfer gebracht, um dies zu ermöglichen. Und sie hat gelitten und leidet. Sie sagt folgendes: „Meine Freundin und ich hatten und haben kein Geld, um zu korrumpieren. Wir haben unsere Köpfe voller Wissen, wir haben geschuftet. Aber an Praktikumsstellen waren wir nur Putzfrauen, wir durften nie wirklich auch nur einen Bohrer in die Hand nehmen. Wir konnten dafür nicht bezahlen. Für ein Praktikum bei einem Zahnarzt brauchst du mindestens 3‘000 Euro. Und jetzt für eine Arbeit nochmals mindestens 5‘000 Euro“ . Sie kann und will sich nicht einkaufen, sie kann sich kein Praktikum privat leisten. Sie ist traurig, klar, aber sie erzählt dann, dass sie in all den Entbehrungen der letzten Jahren, in all den schlimmen Erfahrungen von Degradierung und Korruption eines gefunden hat: den tiefen Glauben an Christus, die Hoffnung, dass die Wahrheit und das wirkliche Heil dort liegen, wo die Seele sich nicht von Geld und Macht und Verkauf der Wahrheit hat vergiften lassen. Und Dari strahlt von innen raus, auch wenn eine Träne über ihre Wange kullert, als sie uns allen ihre Geschichte erzählt. Und in diesen Minuten weiss ich, dass diese junge Frau die lebendige Bergpredigt ist: „Selig, die nach Gerechtigkeit dürsten!“ Ich schlucke. Und ich denke, wie die Jugendlichen vor einiger Zeit zu mir kamen und sagten, dass sie alle ein Angebot bekommen haben und sie wollten meine Meinung dazu wissen. Das Angebot war so: In den Ferien Drogenernte mit hohem Arbeitslohn in den Bergen. Mit diesem Lohn hätten sich die Jugendlichen ihr Studium locker finanzieren können. Ich spürte ihren inneren Kampf, als sie mir das so sagten und fragten, was ich denn dazu meine. Eine Jugendliche meinte, dass ich da ja nichts dagegen haben könne, denn ich wolle ja auch, dass sie eine Zukunft haben und wer dann die Drogen konsumiere, wäre ja selbst schuld. Ich nickte und sagte, dass ich sie gut verstehe. Dann nahm ich mir viel, viel Zeit und wir erarbeiteten das Für und Wider. Wir erarbeiteten Sichtweisen und auch ethisch moralische Wertungen. Dann liess ich sie frei in ihrer Entscheidung. Ich gebe zu, ich habe viel für sie gebetet in dieser Phase ihrer Entscheidung. Diese war alles andere als leicht, die Versuchung, auf diese Art und Weise zu Geld zu kommen fürs Studium war gross. Eine Jugendliche sagt mir: „Weisst Du, ich möchte ja nur damit meine armen Eltern entlasten, ich habe noch Geschwister und die sind alle jünger. Und meine Eltern opfern alles und leiden“. Ich umarmte sie wortlos. Und keine der Jugendlichen hat bei der Drogenernte mitgeholfen und damit Geld verdient. Stille Helden, die das Antlitz der Erde erneuern.

Dann ist da noch ein junges Mädchen, von dem ich berichten muss: Es ist Sara, die schwer behindert ist. Wir wurden von der Familie gerufen, da Sara keine Sondennahrung mehr hatte. Sara hat eine Ernährungssonde im Darm liegen. Sie konnte nicht mehr schlucken und die Familie ist vor knapp drei Jahren mit ihr nach Deutschland ausgereist. Dort wurde ihr geholfen und sie konnte überleben. Nun wurde sie mit der ganzen Familie zurückgeschickt. Sie wurde um 5 Uhr morgens mit der Mutter im Krankenhaus von der Polizei abgeholt, die Schwester und der Vater in der Unterkunft. Für drei Wochen hatten sie Sondennahrung dabei. Dann war es halt aus. Hier gibt es eine solche nicht. Rollstuhl und weitere Nahrung waren bei einer Hilfsorganisation in Deutschland gelagert, ein Transport wäre nicht in Sicht, sagte mir die Sekretärin dann dort am Telefon. Ich musste mich beherrschen, um ruhig zu bleiben, gebe ich zu. Sara und ihre Familie konnten nicht in ihr Haus zurück, da dies durch Hochwasser zerfallen ist. Sie leben derzeit bei Verwandten. Wir fuhren sofort zu Sara und ihrer Familie und wir fanden sie in verzweifelter Situation, vor allem ihre jüngere Schwester. Sie ist immer noch traumatisiert insbesondere von der Art und Weise der Abschiebung. Ich möchte nun einen Dank aussprechen für unsere Freunde in Deutschland, die sofort in die Presche sprangen: Barbara, gerade im Aufbruch zu uns, besorgte noch Nahrung für vier weitere Wochen. So hatten wir wenigstens Zeit zum Nachdenken und weiterer Planung. Dann war die Allgäu-Orient-Rallye unterwegs zu uns und diese Männer fuhren noch stundenlang zur Lagerungsstelle und brachten nochmals Sondennahrung für weitere zwei Monate und den speziellen Liegerollstuhl für Sara mit. Wir danken von Herzen. Die Familie muss nun erstmal nicht zugucken, wie Sara verhungert. Mir dreht es allerdings zwischendurch den Magen um, wenn ich daran denke, dass die Sonde irgendwann erneuert werden muss. Und Sara hat sich diese in der Spastik bereits in Deutschland zweimal selbst gezogen. Das wäre der sichere Hungertod für das junge Mädchen. Und die Schwester weiss dies ganz genau.

Ich habe dafür keine Worte, aber ich muss sagen, dass wir solche und ähnliche Schicksale jetzt jeden Tag erleben. Und ich stelle mir die Frage: Ist die Burka meines Heimatlandes unversehens die Nacht geworden? Ist die Angst vor einem schwer behinderten Mädchen so gross, dass es die Polizei braucht, um es abzuholen? Sie kann ja gar nicht mal weglaufen. Und ich frage mich, ob Deutschland mit solchem Handeln nicht letztlich sehr viel ärmer wird, als alle, die hier zurückkommen. Und aus den Erzählungen der Kinder, Jugendlichen und auch Mütter wissen wir, dass diese Abholung durch die Polizei sehr traumatisierend ist.

Umso mehr sind wir froh und dankbar, dass wir um viele, viele Helfer der Fremden wissen dürfen. Viele, viele, die alles tun, damit die Menschlichkeit nicht ausstirbt. Es gibt ein Netzwerk des Heiligen Geistes und an diesem Netzwerk habt Ihr alle Anteil und dieses Netzwerk verbindet die Völker nach wie vor in diesem Geiste, der das Gute schafft.

 

100 0636 sr christinaSo gerne mit Euch verbunden, mit herzlichem Pfingstgruss

 

Eure Sr. Christina

Zeitzeugen, eine andere Landkarte

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Freunde in der Heimat,

Ich grüsse Euch mit der ersten Narzisse, die seit heute Früh, nach einer lauen Nacht, im Garten blüht. Loja, die uns zugelaufene Hündin, hat sich hierher geflüchtet und weicht nicht mehr. So haben wir einen Mitbewohner mehr im Kloster. Auch diese geschlagene Kreatur sucht wohl Schutz. Ich möchte Euch von den letzten Tagen berichten. Eigentlich könnte ich schon darüber drei Bücher schreiben. Ich lasse am besten gleich die Menschen selber sprechen. Gestern hatte ich den Eindruck, dass der gesamte Abriss einer anderen „Landkarte“ von Albanien vor uns steht: In der Früh erfuhren wir von dem furchtbaren Unfall: Agrim, ein Mann im besten Alter, war bei uns, um für seine kranke Frau noch Medikamente zu holen. Einen Tag vorher waren wir bei der Familie in den Bergen, da wir ihnen seit einigen Jahren helfen, den an Parkinson erkrankten Vater zu pflegen. Nun ist er wirklich im Endstadium und die Beine schwer kontraktiert. Die Schwiegertochter ist eine so tolle Frau und tut alles nur irgendwie mögliche. Diese Familie hat in den Bergen eine kleine Landwirtschaft, gerade für das Nötigste. Aber immer gaben sie uns einige Kilo Käse und Granatapfelsaft usw. mit. Nun ist es passiert! Agrim kollidierte auf dem Heimweg mit einem andern Motorradfahrer. Dieser Mann, Vater von vier Kindern, war sofort tot. Agrim hatte einen Helm auf, der andere nicht. Aber Agrim hatte keine Lizenz für sein Motorrad. Man muss jetzt sagen, „das ist dann der Ruin“ der gesamten Familie. Agrim liegt mit mittelschweren Verletzungen im Krankenhaus in Shkoder und dort müssen sie schon bezahlen. Die Polizisten stehen vor der Türe Wache und nehmen ihn dann gleich mit in die Untersuchungshaft, wenn er entlassen wird. Wir ver-suchen jetzt, wenigstens bei den Ärzten zu erreichen, dass er nicht vor der Genesung ent-lassen wird. Er weiss noch nicht, dass der andere Motorradfahrer tot ist. Und die Blutrache droht! Wir sprachen gestern Abend noch mit dem Vater von Abraham, der beide be-troffenen Familien kennt. Er sieht das Problem und hat schon angefangen, über eine Vermittlung zur Versöhnung nachzudenken. Er hängt sich da rein, aber es ist schwierig. In jedem Fall wird sich Agrim zu Tode zahlen, um sich loszukaufen. Wir werden auch zur Familie des Verstorbenen gehen. Wir kennen die Verwandtschaft. Wir hoffen und beten und werden alles tun, dass sie nicht der Blutrache verfallen. Was mit dem kranken Vater von Agrim wird, weiss im Moment sowieso niemand. Der Sohn von Agrim ist vor einigen Monaten illegal abgehauen. Er fand keinen Studienplatz ohne Korruption und hat es aufgegeben.


Ja, der illegale Exodus! Nachdem nun die Asylanträge der Albaner im Ausland abgelehnt werden, was langsam hier durchdringt, hauten in den letzten Wochen auch etliche von unserem Gebiet illegal ab. Vor allem junge Männer, aber auch ganze Familien. Schlepper helfen ihnen, meistens über Podgorica oder den Kosovo in einen Flieger zu kommen. Sie haben eine Einladung für eine Woche nach Berlin oder andere Städte und verschwinden dann irgendwo im illegalen Milieu. Vorher haben sie für diese Reise viel bezahlt. Was mit ihnen dann passiert, ist nicht schwer auszudenken: illegale Geschäfte, Schwarzarbeit auf dem modernen Sklavenmarkt usw. Irgendwann sind sie kriminalisiert oder auch radikalisiert. In jedem Fall nicht integriert. Und der Exodus ist in vollem Gange - verdeckt, gefährlich, real. Wir erleben es täglich. Wo sie dann sind, das wissen wir nicht, wir trauern um verlorene Kinder, die irgendwie ver-schwinden. Studenten, die wir kennen, sagen uns klar, dass sie abhauen, sobald sie 18 sind. Sie haben in unseren Gruppenstunden von klein auf gelernt, dass sie geradlinig bleiben, nicht für Geld Noten nehmen. Nun müssen sie erleben, dass sie schlechtere Noten trotz bester Leistung bekommen, weil die anderen, deren Väter bezahlen, die besten Noten kriegen und die Stipendien fürs Ausland erhalten. Ein Beispiel dazu: Ein Arzt hat für seine zwei Söhne bereits in der ausländischen Technikerschule, über die albanischen Lehrer, den Auslandsaufenthalt „sichergestellt“ und sie haben das Stipendium bekommen. Edi hat protestiert – erfolglos. Er, der total gut ist, viel lernt, aber keinen Pfennig bezahlt, verliert nun langsam aber sicher den Glauben an die Gerechtigkeit. Ob wir das abfangen können, weiss ich nicht. Wir sprechen viel mit den Jugendlichen. Und in der letzten Gruppenstunde hatten wir das Thema „Prostitution“! Nach 10 Minuten packten die jungen Menschen aus: Die Studentinnen sagten (ich hatte es schon vorher von anderer Seite gehört), dass Professoren für hübsche Studentinnen die Adresse vom Hotel angeben, falls sie nicht bezahlen können für die Prüfungen. Ein Junge sagte dann, dass er etliche Freunde hier im Gebiet hat, die ihre eigene Schwester regelmässig in die Prostitution verkaufen. Die Preise sind verschieden: das Billigste 2000 Leke (ca. 15 Euro), dann 4000 Leke und aufwärts. So bezahlen sie dann die Schlepper, wenn sie abhauen. Noch eine Anmerkung zum „Verkauf“ der Mädchen. Eine Familie, wie viele hier, hat 2 ihrer Töchter an ältere Männer in Mazedonien verschachert. Die jüngste der Mädchen ist nun gestern hierher gebracht worden. Eine Passantin hat sie an der Strasse liegend gefunden und sie sagte nur: „Zu den Schwestern!“. Also hat sie sie zu uns gebracht. Was war passiert? Die Mutter hatte sie eingesperrt. Sie hat Tabletten geschluckt, allen Raki (Traubenschnaps) ge-trunken und ist dann aus dem Fenster gestiegen. Irgendwann ist es ihr dann vermutlich so mulmig geworden, sodass sie zu uns wollte, dann aber auf der Strasse zusammenbrach. Sie sollte auch verheiratet werden. Nun liegt sie im Krankenhaus. Und wenn wir es nicht schaffen, die Familie „auf die Reihe zu kriegen“, wird sie der Vater und der Bruder erstmal nach der Entlassung zusammenprügeln, weil sie Schande über die Familie gebracht hat. Wir hätten auch noch beinahe einen Fehler gemacht, weil wir „westlich“ gedacht haben. Ein Mann mit einem Auto war bereit, die junge Frau ins Krankenhaus zu bringen. Leci, unser Mitarbeiter, sollte mitfahren. Wir hatten alle im Auto, da stoppte der gute Mann und sagte: Schwester, wir dürfen nicht ohne eine Frau mit ihr fahren, sonst…!!!! Ich hatte sofort kapiert. Geht überhaupt nicht. Da hätten die beiden Männer sehr schnell Probleme mit dem Vater bekommen, unter Umständen sogar eine Kugel im Schädel gehabt. Das ist schon Entehrung. Und Lushi, der Vater des Mädchens, lebt im tiefsten Kanun und ist noch dazu Alkoholiker.


Da ist unsere Ermira. Sie kommt öfters hier her, um ein wenig bei uns zu sein. Sie hat vor fünf Jahren ätzendes Gift geschluckt, weil sie von ihrem Ehemann, mit dem sie verheiratet wurde, schwer misshandelt wurde. Sie hat knapp überlebt, aber mit einer totalen Verätzung der Speiseröhre. Dann wurde sie etliche Mal von einem türkischen Arzt operiert, der einen Vertrag mit einer Privatklinikkette hatte. Zuletzt fanden wir diesen Arzt dann im Kosovo. Er hat sie voriges Jahr nochmal operiert, um die Speiseröhre nochmals zu öffnen. Angeblich war die Operation gelungen, aber dem war nicht so. Die Speiseröhre ist erneut zu. Der Arzt hat Ermira dafür die Schuld gegeben, dann eine Sonde für die Ernährung in den Darm gelegt. Aber dieser Schlauch ist ein starres dickes Rohr, das mich an die Magenspülrohre von vor dreissig Jahren in Deutschland erinnert. Dieses Rohr bohrt Ermira nun ständig im Darm rum. Sie kann gar nichts mehr schlucken (nicht mal mehr den Speichel) und hat Schmerzen wie ein Hund. Alle Versuche, wieder zu diesem Spezialisten zu kommen, sind gescheitert. Die Sekretärinnen schreiben ihr SMS, dass sie nicht so undankbar sein soll und dass der Professor alles getan hat und sie vertrösteten sie nun Monat für Monat. Nun scheint der Vertrag des Arztes mit der Klinik im Kosovo beendet zu sein und er kehrt in die Türkei zurück und Ermira verzweifelt hier. Wir müssen irgendwie ein Konsult im Westen für sie finden, wenigstens, um das starre Rohr zu wechseln. Hier in Albanien übernimmt sie kein anderer Arzt, weil sie die Verantwortung nicht übernehmen wollen. Alle Versuche unsererseits sind gescheitert. Und finanziell ruiniert ist die Familie sowieso schon. Wir sagen inzwischen: „Ermira war Versuchskaninchen und der Versuch ist gescheitert!“ Diesen Eindruck haben wir von etlichen anderen Patienten hier auch.


Dann kommt ein verbrannter Patient von der Brand-Klinik in Tirana zurück. Wir mussten ihn vorige Woche sofort dort einweisen, da er schwer verbrannt war. Wir gaben genügend Verbandsmaterial und die Brandsalbe mit, wie immer. Der Patient kam in einem schlimmen Zustand zurück. Dann sagte er folgendes: Die Krankenschwester hat das mitgebrachte Material angeschaut und gesagt: „Das ist kein gutes Material, das nehme ich mit, wir haben das unsere!“ Und nie wieder sah der Patient etwas davon, wurde mit einer Desinfektions-creme und Watteverband eingewickelt und die Wunde war total verdreckt und ist schwer infiziert. Die Krankenschwester hat das Material an Patienten weiter verkauft, die dafür teures Geld bezahlt haben. Sie hat sich so das geholt, was der Professor für Patienten von uns verboten hat: Geld zu nehmen. Wir intervenierten. Der Professor hat nicht die Übersicht, was in den normalen Stationen passiert. Und der Patient war nicht in der Intensivstation aufgenommen.


Da kommt die blutjunge Tone, die an Brustkrebs erkrankt ist. Sie kam viel zu spät zu uns, man kann ihr nicht mehr helfen. Aber sie hat eine Chemotherapie und Brustamputation bekommen, da die Brust dreimal so gross war, eitrig und aufgebrochen und furchtbar stank. Vor zehn Tagen war sie hier und wir haben die Wunde versorgt. Ich habe ihr ein Unterhemd gegeben, weil sie keines hatte. Nun ist sie wieder da. Sie wirkt verstört. Sie sagt mir, dass sie nicht mehr kann. Ihr Arm ist dick und hart; sie hat ein Lymphödem entwickelt und kann sich nicht mehr selber umziehen. Ihr Mann trinkt, ihre zwei Kinder sind sieben und zwei Jahre alt. Sie sagt, sie möchte sich vergiften, sie kann nicht mehr. Sie hat nichts, gar nichts, auch keine Hilfe. Vorsichtig rede ich mit ihr. Sr. Laetitia, unsere neue Mitschwester, hilft mir. Tone lässt sich von ihr den Körper waschen. Das tut ihr gut. Ich suche neue Wäsche. Sie hat die Wäsche seit 10 Tage nicht wechseln können, sie schämt sich furchtbar. Schwester Laetitia macht es sehr taktvoll, ich gehe derweil raus. Dann versorge ich die Wunde und sehe ihre Füsse. Unbedingt braucht sie ein Fussbad. Ich weiss, wie schwierig es für einen Albaner ist, sich die Füsse waschen zu lassen. Sie lässt es zu und es tut ihr gut, als wir ihre Füsse ein wenig salben. Ich denke unwillkürlich an die Frau, die Jesus die Füsse gesalbt hat. Dann versorgen wir Tone mit Schmerzmitteln und geben ihr was zum Essen mit. Und sie verspricht, in einer Woche wieder zu kommen. Ein Lächeln kommt über ihr Gesicht.


Und da gibt es dann die Hoffnungsschimmer im ganz Kleinen - wie da halt auch plötzlich eben an meinem Teller eine kleine Vase mit dunkellila duftenden Veilchen steht. Sie duften wunderbar und ich freue mich riesig.
Da ist unser Freund, der kommt und sagt, er müsse unbedingt nach Italien. Er hat einen Hinweis bekommen, dass seine Neffen den nach über 30 Jahren aus Blutrache erschossenen Bruder von ihm rächen wollen. Das wäre das Ende und alle Kinder von Sokol wären wieder eingeschlossen. Ich gehe vorher mit ihm in der Kapelle. Er kniet nieder, bittet um Stärkung und Segen. Er hat Zweifel, ob er dem Druck des Kanun und der Neffen und aller, die da die Rache sehen wollen, standhalten kann. Ich bestärke ihn, biete ihm an, nachzukommen, und ich sage ihm, wir beten ohne Unterlass. Dies taten wir in diesen Tagen. Das hilft ihm. Bei Nacht und Nebel geht Sokol in eine nicht ungefährliche Mission. Ich habe grosse Achtung vor diesem Freund. Und ich denke: Er erfüllt, was da heisst: „Suche Frieden und jage ihm nach!“ Nun ist er zurück und hat es geschafft. Er hat das Versprechen bekommen, das sie nicht rächen. Ich weiss, dies muss von unser aller Gebet begleitet werden. Da sind viel, die hetzen. Und die Neffen sind weit weg im Ausland, Sokol wäre mit seiner Familie dann preisgegeben. Aber dieser Mann des Friedens wird von Gott nicht preisgegeben. Dies habe ich ihm auch gesagt.


Ja, Blutrache. Immer und immer wieder bekommen wir Hilferufe aus Deutschland von Helfern, die sich dort um Flüchtlinge in Blutrache kümmern. Die Asylsuchenden werden abgeschoben, „weil Blutrache in einem sicheren Herkunftsland nicht mehr existiert“! Stellungnahmen von mir werden nicht mehr geglaubt. So bin ich langsam wohl auch zur Lügnerin gestempelt, in meinem eigenen Herkunftsland. Ich kann damit leben, werde aber die Wahrheit nicht verleugnen. Was mir zu schaffen macht und das sage ich ehrlich: wie schnell lässt sich die Wahrheit beugen mit der Schaffung von Gesetzen oder gemachten Schein-Realitäten fernab in einem fremden Land, ohne wirklich die Wahrheit wissen zu wollen. Wir leben hier und jeden Tag trifft uns hier die nackte Wahrheit von geknechteten und leidenden Menschen, von Menschen die rechtlos sind, von Menschen, die der Korruption an heim fallen, von Jugendlichen, die Perspektiven mehr und mehr verlieren, und von Familien, die in Blutrache vor Angst schon sterben, bevor sie die Kugel im Schädel haben. Trotzdem halt: sicheres Herkunftsland! Die Definition bestimmen andere. Aber dennoch bleibt die Wahrheit, wie sie ist: dies alles geschieht jeden Tag vor unseren Augen. Wir schauen nicht weg. Wir haben den Auftrag unseres Herrn angenommen, in den Menschen den leidenden Christus zu sehen, egal ob Muslime oder Christ oder gar nicht gläubig. Ich staune und trauere aber auch darüber, wie schnell sich viele aus meinem Volk anlügen lassen und gelernt haben, nicht wirklich hinzuschauen. So müssen wir hier wohl auf eine Familie mit kleinen Kindern warten, die abgeschoben wird, obwohl sie schwer in Blutrache sind. Der Rechtsanwalt in Deutschland hat meine Stellungnahme mit der Be-gründung abgelehnt, ich wäre nur Zeugin des Zeugen, das würde so nicht genügen. Den Zeugen habe ich hier gehabt zur klaren Aussage über den Fall. Nun hat der Zeuge noch eine eidesstattliche Erklärung abgegeben und mir eine Organisation meine Glaubwürdigkeit bestätigt. Ich finde es verrückt, dass es keinerlei Vertrauen mehr zu geben scheint, dass kein Wort mehr gilt. Und ich frage mich, was man bringen muss, um glaubwürdig zu sein. „Aber vielleicht ist Glaubwürdigkeit in diesem Kontext ja gar nicht mehr wirklich gefragt“ so frage ich mich. Ich weiss, da sind zwei Welten. Und wir sind hier in der zweiten oder auch dritten Welt und Ihr, die Ihr uns unterstützt, aus der Ersten Welt, baut die Brücken immer wieder und dafür danken wir Gott und Euch. Er wird Euch segnen und Euch all Eure Hilfe vergelten und ich bin überzeugt, dass Eure Solidarität eine bessere Welt schaffen wird. Was könnte nachhaltiger ein, als ein Gedanke oder eine Tat der Liebe? DANKE für jede Form von Unterstützung, auch für Eure moralische und für Euer Beten. Und ich danke Gott, dass ich an die Ewige Wahrheit glauben darf, die uns auch den Weg weist. Ich wünsche so sehr, dass wir alle immer mehr zu dieser Wahrheit finden oder zurückfinden, durch all das Gewühl von Relativismus und selbstgestrickten Scheinwahrheiten hindurch. Die Schicksale selbst sprechen hier die Wahrheit und bringen uns so oft vor den HERRN, zu dem wir flehen und um Erbarmen bitten und auch den Trost finden und die Kreativität der Liebe, die wir für die Einzelnen brauchen. Anders geht es nicht. Und das ist es auch, was uns glücklich sein lässt. Davon bin ich auch überzeugt.
Und nun noch etwas Schönes: unser Abraham hat am Sonntag seinen 10. Geburtstag gefeiert. Seine Eltern und zwei Schwestern kamen auch. Und dieser Junge hatte eigentlich keine Überlebenschance. Gott tut seine Wunder! So blühen die Blumen, wie jeden Frühling neu, im Garten und Abri hat eine ganz grosse Überraschung zu seinem besonderen Geburtstag bekommen: ein Fussballspieler der albanischen Nationalmannschaft kam zu ihm, gab ihm das Trikot und hat mit ihm und seinen Freunden eine halbe Stunde gespielt. Abri, der ja fast nicht mehr auf den Füssen sein kann, hat alles gegeben, jede Schmerzgrenze überwunden und ist geflogen. „Ich bin ein glücklicher Junge!“ sagte er. Und seine neuen Fussballschuhe nahm er dann am Abend erstmal mit ins Bett. Wie oft lässt uns dieses Kind verstehen, auf was es wirklich ankommt. Und da hat es der Antonio heute geschafft, durch die tolle Motivation von Schwester Laetitia, einen Meter auf dem Boden zurückzulegen. Er ist auch ein glücklicher Junge und Schwester Laetitia eine glückliche Schwester, was ja ihr Name auch sagt. Und in diesen Wochen danke ich jeden Tag, dass wir Schwester Michaela nach dem Unfall gut und wohl genesen wieder haben. Es ist glimpflich abgegangen. Eine Narbe über dem linken Auge ist ihr geblieben. Diese zwei Streifen gleichen ein wenig der Kralle eines albanischen Adlers, sagen wir schmunzelnd. Schwester Michaela nimmt das Zeichen mit viel trockenem Humor.


So wünsche ich, dass in uns allen das Wesentliche Wurzeln schlagen darf und mehr und mehr zum Blühen kommt in einer Welt, die am Unwesentlichen so oft hängen bleibt. Mit herzlichem Gruss und Dank


Eure Sr. Christina

Neues Jahr

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Freunde in der Heimat gerade wird das Jahr 2017 eine Woche alt. Ich möchte Euch grüssen und ein ganz gutes von Gott gesegnetes 2017 wünschen. Mögen wir alle gewahr sein und werden, was das Geschenk des Lebens jeden Tag in sich birgt.

Und ich möchte euch von dieser Woche des ersten Jahres schreiben. Ich möchte die Woche so überschreiben:

“Die Natur lehrt uns die Demut und auch das Staunen!”

Andersrum könnten und müssten wir sagen, wir haben eine totale Kälte- und Energiekrise.

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